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Inhaltsverzeichnis

Die Comics gibt es nur in der Taschenbuchausgabe

   Inhalt

1.3 1-2-3-4 Eckstein, alles muss getrennt sein

Lesedauer: 7 Minuten

Das ICH besteht aus 

meiner Seele, 

meinem Verstand, 

meinem Körper,

meinen Identifikationen,

meinen Vorstellungen,

meiner Weltanschauung,

meinen Bedürfnissen,

meinem Hab und Gut. 

Wesen, die ich als zu mir gehörig ansehe, bilden mit mir zusammen das WIR. Das DU ist alles, was ich als zu dir gehörig erkennen kann und das IHR sind demzufolge das DU mit den Wesen, die ich dir zuordne.

Mein Körper, Verstand, meine Seele und mein ganzer Besitz bilden das ICH.

Dein Körper, dein Verstand, deine Seele und dein ganzer Besitz bilden für mich das DU.

Zusammen bilden wir beide das WIR.

Alle anderen und aller anderer Besitz bilden das IHR und das SIE.

Die Trennung ist der Ursprung der so genannten Dualität. Das Wort Dualität drückt die Existenz von zwei Seiten einer Medaille aus. Gut und schlecht oder gut und böse, hell und dunkel, Licht und Schatten, schwarz und weiß, all das gibt es nur, weil wir vergessen haben, dass wir alle EINS sind. Eine nicht trennbare, miteinander vermischte Energie, die sich in unzählige verschiedene physikalische Körper verwandelt hat. 

Einige spirituelle Menschen haben schon früh genau diesen Trennungsgedanken als Wurzel allen Übels identifiziert und versuchen nun, ihn aus der Welt zu schaffen, um die Dualität und somit alles Schlechte, alles Leid und alle Pein von der Erde zu tilgen. Hört sich pathetisch und unmöglich an? Ist es auch. Die Erde ist ein Planet der Dualität und wird es auch noch eine geraume Zeit bleiben – vielleicht für immer. Allein die Gesetze, wie sie funktioniert, verhindern die Aufhebung der Dualität. 

Eine Welt ohne Dunkelheit hat keinen Spielraum zur Regeneration. Pflanzen und Menschen würden auf Dauer verbrennen, nicht mehr ruhen können und wahnsinnig werden. Eine Welt ohne Leid kennt auch keine Freude. Eine Welt ohne negative Ereignisse kennt nichts Positives. Unsere gemeinsamen Fortschritte werden viel verändern und für uns verbessern. Immer mehr Menschen kommen in den Genuss, ihre Entwicklung so weit vorangetrieben zu haben (treiben hört sich nach Anstrengung und Zwang an und ist es bei vielen auch), dass sie sich nun in ihrer Schöpferkraft (nur ein spirituelles Wort für Kreativität und die Fähigkeit, das eigene Leben zu steuern) befinden und sich überwiegend das in ihr Leben ziehen können, was sie für richtig halten. Moment! Machen wir das nicht alle, egal wie bewusst oder unbewusst wir sind? Ziehen wir nicht alle das an, was wir für richtig für uns halten? Ja natürlich! Da gibt es keinen Unterschied, außer dass sich die Umstände und Vorzeichen für den Einzelnen verändern. Auch die Schöpfer unter uns, die bewusst erschaffen, nehmen immer noch an der Dualität teil. Das habe ich in den Jahren der Krankheit, Erschöpfung, Hoffnungslosigkeit und des allgemeinen Schlechtbefindens erfahren dürfen. Diese Jahre haben mir jedoch ermöglicht,  den bisher von mir beschrittenen Weg und die eingeschlagene Richtung grundlegend zu verändern. Und ich muss sagen, dass es sich für mich mehr als gelohnt hat. Meine jetzigen Erfahrungen und Erlebnisse hätte ich mir nicht einmal im Traum vorstellen können. Mein Verstand könnte sich das alles nicht ausdenken. 

Der Trennungsgedanke und das ICH GEGEN DICH und WIR GEGEN SIE ermöglicht jedoch auch das ICH MIT DIR und WIR MIT IHNEN. 

Regentage fördern das Pflanzenwachstum genauso wie Sonnentage. Schnee und Eis schützen bestimmte Liebewesen und verhindern, dass andere überhandnehmen, Sonne und Trockenheit tun dasselbe. Gut und schlecht oder gut und böse existieren nur in unserer Vorstellung. Die Bewertung des Moments gibt den Ausschlag, was wir in unserem Leben haben wollen und was anscheinend unsere Existenz bedroht. Die reine Wahrnehmung von dem was ist, durch unsere Sinne (hören, sehen, riechen, schmecken, tasten, fühlen, Gleichgewicht, inneres Befinden, usw.) ist zunächst neutral. Die Reize, also das Gesehene oder Gehörte, das Geschmeckte oder Gerochene, dringen zu unserem Gehirn vor. Dort werden sie vom Verstand analysiert und katalogisiert. Erst danach bewerten wir sie. Diese Bewertung findet auf der Basis von bisherigen Erfahrungen, Erlebnissen und  Erlerntem statt. Wir urteilen innerhalb von Sekundenbruchteilen nach Eintreffen der Reize. Deswegen denken wir, das alles gehört zusammen und Wahrnehmung und Bewertung seien eins. In den Texten von Eckhard Tolle fand ich eine nützliche Übung hierzu: Setze dich auf eine Parkbank und versuche, Wahrnehmung und Bewertung zu trennen. Wie du das fertigbringen kannst? Ganz einfach. Schau dir die Passanten bewusst an. Registriere alles, was es zu sehen, zu riechen, zu hören gibt. Denke nicht darüber nach, was das alles zu bedeuten hat. Denke nicht über die Passanten nach, erfinde keine Geschichten über sie, urteile nicht, sondern lass einfach alles so sein, wie es ist. Versuche immer eine Sekunde lang das Nachdenken über das Wahrgenommene hinauszuzögern. Wenn eine schwarzhaarige Frau im roten Kleid mit hochhackigen Pumps an dir vorbei schlendert und stark nach Parfum duftet, dann denke nichts über sie. Gerade hattest du bestimmt eine Vorstellung der Frau im Kopf, ein Bild, einen Geruch, vielleicht das Klacken der Absätze auf dem Pflaster des Wegs. Und du hast sie bereits kategorisiert und bewertet. Du glaubst zu wissen, wer sie ist und wie sie ist. Das alles nur Aufgrund von Erfahrungen, die du mit anderen parfümierten schwarzhaarigen Frauen in roten Kleidern mit Pumps gemacht hast. In Wirklichkeit kannst du nichts über diese Person sagen. Sie ist dir komplett unbekannt. Sie könnte zu einem Meeting, einer Feier oder ins Kino gehen wollen. Vielleicht hatte sie nach drei Wochen depressiver Gedanken einfach das Bedürfnis, sich für sich selbst hübsch zu machen und spazieren zu gehen. Währenddessen wollte sie unbedingt die neuen Pumps eintragen, die sie erst heute morgen gekauft hatte, um ihre Genesung zu feiern. Hast du genau an dieses von mir beschriebene Szenario gedacht? Nein? Das wundert mich nicht. Es ist ja nicht das Naheliegendste für dich. Sehr gut beobachten kann man das an folgender Szene, die mir wirklich passiert und so skurril ist, dass du glauben könntest, ich hätte sie mir ausgedacht. Habe ich aber nicht.

Ich war eineinhalb Wochen in einer Lungenklinik zu Untersuchungen. Mit mir zusammen im Zimmer befanden sich zwei 75 Jahre alte Männer. Der eine war über 50 Jahre Steward auf einem Schiff gewesen, der andere ebenso lange Schafzüchter. Sie unterhielten sich tagelang über die Vergangenheit. Dann wurde der Steward entlassen und ein Pole wurde sein Nachfolger. Ich nutze hier extra Kurzbezeichnungen, da sie dir vor Augen führen, welche Urteile du dir bisher schon gebildet hast. Es sind schon ein ganzer Haufen auf der Basis von fast gar keinen Informationen, nicht wahr?

Da ich auf einen längeren Aufenthalt in der Klinik vorbereitet war und in der untersuchungsfreien Zeit eine Serie weiterschauen und auch ein bisschen schreiben wollte, hatte ich mein Notebook mitgebracht. Das Gerät war geleast, und gegen Verlust, Diebstahl und Schäden aller Art rundum versichert. Also war mir egal, ob es gestohlen würde. Ich schloss es nicht aus diesem Grund ein, sondern weil alle meine Daten darauf gespeichert waren und ich sie nicht vollständig gesichert hatte.

Als der Schafzüchter mitbekam, dass unser neuer, sehr freundlicher Bettnachbar ein Pole war, machte er mich beim Verlassen des Krankenzimmers darauf aufmerksam, dass ich doch besser alles verstecken und verschließen solle, jetzt wo der Pole hier im Zimmer mit uns liege. Ich schmunzelte in mich hinein und verließ das Zimmer.

Am Morgen drauf wollte der Schafzüchter den Raum verlassen und hatte sein Portmonee auf seinem Beistellschränkchen vergessen. Da sagte der Pole zu ihm: »Besser du lässt deinen Geldbeutel nicht offen herumliegen. Hier kommen manchmal fremde Leute herein und tun so, als ob sie jemanden suchen. Die wollen aber klauen.«

Ich konnte kaum an mich halten, so musste ich innerlich lachen.

Das ICH GEGEN DICH oder das ICH UND DU in all seinen Variationen beruht ausschließlich auf der Bewertung unserer Eindrücke. Trennst du beides eine Zehntelsekunde lang und fällst nicht auf deine seit deiner Geburt geprägten Denkstrukturen herein, dann eröffnest du dir eine ganz neue Erfahrungswelt, frei von Vorurteilen (also von vorschnellen Bewertungen) und lernst Menschen einfach so kennen, wie sie sind. Es wird dich erstaunen, was alles in ihnen steckt und in welcher Art sie dich unterstützen und inspirieren können. Die Offenheit ermöglicht dir Erlebnisse, die du dir nie hättest vorstellen können. Deswegen sagt man ja auch, man solle zehn Meilen in den Stiefeln des Anderen wandeln, bevor man ein Urteil über ihn fällt. Und man sagt, dass jeder, der seine Heimat verlässt, als neuer Mensch zurückkehrt. Beides spielt auf die Offenheit an, die du mit dieser kleinen Übung erlangen kannst. Auf diese Art erweiterst deine Verbindung zu deiner Seele enorm.

In der Dualität hat alles seine zwei Seiten und alles seinen Preis. Manchmal ist der Preis unangenehm. Wir wollen ihn vermeiden. Manchmal ist der Preis aber auch superangenehm. Deswegen nehmen wir ihn gar nicht als Preis wahr. Ist der Preis der Verlust von etwas für uns Positivem erkennen wir ihn nur allzu gut. Der Preis für meine Gesundung bestand dagegen im Verlust der für mich unangenehmen Symptome meiner Krankheit. Ich durfte lernen, besser auf meinen Körper zu achten und mehr im Hier-und-Jetzt zu sein. Also besteht der Preis nur aus für mich positiven Dingen. So etwas nimmt kaum jemand wahr. Hier dürfen wir lernen, den Preis in Demut anzuerkennen und nicht als Selbstverständlichkeit wahrzunehmen.

Die Dualität abschaffen würde bedeuten, die Ebene der Entwicklung abzuschaffen, auf der wir uns gerade befinden. Das wäre so, als sägten wir den Ast ab, auf dem wir sitzen. In anderen Zeiten oder Welten besteht diese Dualität vielleicht nicht mehr. Dort wird sie dann auch nicht mehr gebraucht. Im Hier-und-Jetzt ist es eine unserer Herausforderungen (und deren Ausmaß ist nicht zu unterschätzen) zu akzeptieren, dass jeder von uns alles in sich trägt. Wir sind Engel und Teufel, Opfer und Täter, Gutmensch und Wutbürger, Sender und Empfänger, Licht und Schatten, männlich und weiblich. ALLES ist in JEDEM von uns angelegt. Lediglich unsere bewussten und unbewussten Entscheidungen führen uns in die Richtung, die unsere Reiseroute wird. Unsere Irrungen und Wirrungen mögen von Zeit zu Zeit einem mäandernden Fluss oder einer schnurgeraden Autobahn gleichen, doch in Wirklichkeit schauen wir zurück auf eine unendlich große Wolke aus Tropfen – den Möglichkeiten. Du siehst nur diejenigen, die dein Licht reflektieren oder von deinem Schatten verdunkelt werden. Der Rest ist für dich nebulös und unsichtbar. Genauso stellt es sich für mich dar. Ich sehe nur die Tropfen in meiner unmittelbaren Umgebung . 

Wir spüren lediglich im Hier-und-Jetzt, dass uns zur gleichen Zeit beinahe unendlich viele Tropfen und Möglichkeiten umgeben. 

Unsere Entscheidungen scheinen uns dann von den Wesen zu trennen, die so weit entfernt liegende Entscheidungen getroffen haben, dass ihre Tropfen für uns unsichtbar sind. Wir verstehen ihre Entscheidungen nicht. Gerade diese Unterschiede erschaffen einen Rahmen, der uns Erkenntnisse ermöglicht. Wir lernen dadurch, was wir nicht wollen oder was wir anstreben, obwohl wir es nicht direkt selbst erlebt haben. Indem wir den Weg der Andersartigen miterleben, erfahren wir die Konsequenzen ihres Tuns, ohne sie selbst durchleben zu müssen. Ein Mensch, der etwas Gutes tut, stiftet uns dazu an, ebenfalls etwas Gutes zu tun. Ein Mensch der etwas Schlechtes tut und über die Konsequenzen berichtet, hält uns davon ab, selbiges zu tun. Die Akzeptanz dessen, dass jedes Wesen einzigartig ist und wir doch alle miteinander in einer übergeordneten Harmonie zusammenspielen, war für mich einer der wichtigsten Schritte, um alles im Sein lassen zu können und den Trennungsgedanken für mich selbst aufzuheben. Warum die Akzeptanz und Aufhebung des Trennungsgedankens so wichtig ist, wird sich dir im Laufe der folgenden Kapitel erschließen.