Wohin mit der Angst?

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In Zeiten der Not stellt sich automatisch auch Angst ein, oder besser gesagt Ängste. Sobald etwas Unerwartetes und Unberechenbares mit unvorhersehbarem Ausgang geschieht, erzeugt ein unbewusster Teil unseres Gehirns eine Ausschüttung von Hormonen. Diese erzeugen zunächst Schauer auf der Haut. Die winzigen Härchen an den Armen und im Nacken stellen sich auf. Bis hierhin macht es noch Spaß, einen Gruselfilm zu schauen. Als nächstes zieht sich der Hals zusammen und das Atmen wird schwieriger. Ein Gewicht legt sich auf die Brust und wir fühlen uns schwer, die Beine scheinen mit Blei gefüllt. Wir erleben unbestimmte körperliche Schmerzen. Große Angst, die schnell eintritt, kann uns in einen Schockzustand versetzen, der bis zum Herzstillstand führen kann. Meistens kommt es jedoch nicht so weit. Nach der ersten Lähmung setzt die Flucht-Angriff-Reaktion ein. Je nach Typ und Erfahrung rennen wir weg oder bleiben und kämpfen. Das kommt auf dein Aggressionspotenzial und die Umstände an. Denkst du, du kannst die Situation meistern und bist überlegen, bleibst du und kämpfst. Steht jemand unter deinem Schutz und kann sich selbst nicht wehren, bleibst du im Besten Fall ebenso. In fast allen anderen Situationen ergreifst du die Flucht. Das hört sich nun an, als hättest du eine bewusste Entscheidung getroffen, doch so schnell kannst du gar nicht denken. Erst wenn du die Situation überblicken kannst – und erst dann kommen die klaren Gedanken – kannst du dich noch einmal umentscheiden und die Flucht oder den Kampf abbrechen und etwas anderes tun.

Das hört sich nun nach großen Ereignissen im Leben an, wenn zum Beispiel deine Wohnung in Flammen steht oder eine bewaffnete Gangsterbande randalierend auf dich zu kommt. Doch selbst in den kleinsten alltäglichen Begebenheiten liegt dieselbe Mechanik. Tötest du die Spinne, rennst du vor ihr davon und bittest jemand anderen, sie für dich zu töten oder trägst du sie in einem Glas mit Untersetzer darunter in die Freiheit? Welcher Typ Mensch bist du? Das entscheidet sich in jeder Situation neu.

Die Corona Pandemie zeigt dir und mir deutlich, welcher Typ Mensch wir sind. Leugnest du die Gefahr, die von dem Virus ausgeht? Deckst du dich mit Lebensmitteln und Haushaltsartikeln ein? Übertreibst du dabei? Es wird viel über die Toilettenpapier-Nudel-Hamsterkäufer gelästert. Doch ist ihr übertriebenes Verhalten der Ausdruck ihrer Hilflosigkeit gegenüber der Situation, die eine weltweite Veränderung ankündigt. Sie befinden sich in einer Flucht-Reaktion und wollen um jeden Preis überlebe. Das Verleugnen der Gefahr und die Corona-Partygänger, diejenigen, die schreien, dass sie sich ihre Rechte nicht nehmen lassen wollen, egal was geschehe, sind dagegen in der Angriffsreaktion. Wie lässt sich ein Virus bekämpfen? Zunächst einmal nicht direkt, also werden andere Kanäle gesucht. Die Angst erzeugt Aggression und die muss irgendwo hin. Und da die meisten Situationen, in denen wir Angst bekommen nicht lange andauern, suchen wir ein direktes und schnelles Ventil. Wir sind nicht dafür gebaut, über längere Zeit in der Angst zu bleiben. Darauf komme ich weiter unten.

Angst entsteht immer dann, wenn wir unsere gewohnte Umgebung – die Komfortzone – verlassen. Einige Ängste, vor allem die Überlebensängste stammen aus der kollektiven Vererbung. Gerade die Angst vor gefährlichen Tieren oder Höhenangst, Angst vor kleinen Räumen, usw. sind Ängste, die aus unserer Evolution herrühren. Dabei unterscheidet unser System nicht zwischen giftigen und harmlosen Schlangen und Spinnen. Wir finden sie entweder alle gefährlich oder nicht. Genauso alle Tiere mit Reißzähnen und jegliche Höhe, bei der wir uns den Hals brechen könnten. Sie sichern unser Überleben, auch auf Kosten anderer Lebewesen oder Menschen.

Alle anderen Ängste sind Verlustängste. Im Grunde genommen geht es letztendlich bei Ängsten immer um Leben-und-Tod-Situationen. Das glaubst du mir nicht?

Die Angst vor Ausländern oder anderen Kulturen ist die Angst vor dem Unbekannten. Kommen für deinen Geschmack zu viele Ausländer in mein Land oder verändert sich die Kultur in deinem Land zu sehr, dann kommst du vielleicht nicht mehr klar und die gewohnten (Über-)Lebensstrategien könnten nicht mehr funktionieren. Dann bist du plötzlich ein Fremder in der dir vorher gewohnten Umgebung und eventuell hat dies für dich unangenehme Konsequenzen. Du könntest von einem wütenden Ausländermob gelyncht werden, weil du nun der Andersartige bist und zwar dort, wo dein zu Hause ist. Diese Angst befällt vor allem Menschen, die nicht viel Kontakt mit Andersdenkenden und anderen Kulturen haben. Sie können nicht feststellen, dass „Ausländer“ nur ein Begriff ist, der willkürlich gewählte Grenzen und eine andere Art des Erfahrungsrahmens beschreibt. Für sie ist es eine Frage des Überlebens, dass sie in ihrem gewohnten Bereich klarkommen.

“Demjenigen, dessen Wohnzimmer die ganze Welt umfasst, ist nichts fremd, außer die Angst vor Fremdem.”

Viele Ängste drehen sich darum, die Arbeit und den Besitz zu verlieren. Diese Ängste münden alle in die Zukunftsangst. Was geschieht mit mir, wenn ich ohne jegliches Polster durch die Welt und das Leben gehe? Werde ich verhungern und verdursten? Welche Einschränkungen und Unbequemlichkeiten muss ich in Kauf nehmen? Bleibe ich dann noch gesund? Und am Ende der Zukunftsangst steht wieder die Frage: Werde ich überleben?

Ungewissheit erzeugt Angst. Alle Situationen, die Angst erzeugen haben mit dem eigenen Tod oder dem Verlust geliebter Menschen, Lebewesen, Gegenständen oder Gegebenheiten zu tun. Die Angst vor der Vergänglichkeit, vor der Veränderung.

Angst ist ein höchst unbewusster Zustand. In Angst machen wir Dinge, die wir niemals tun würden, wären wir im Frieden mit uns, unserem Leben und unserer Umgebung. Wir sind nicht dafür geschaffen, dauernd in Angst zu leben. Eine permanente Angst, der wir nicht entkommen können, erzeugt Depression. Depression kennt viele Gesichter. Fluchtmenschen ziehen sich zurück in Alkohol, Drogen, Medikamente, Einsamkeit und verletzen sich selbst psychisch oder körperlich. Kampftypen suchen Streit, werden daueraggressiv, versuchen die Angst zu durchbrechen und wenden sich dabei entweder nach außen indem sie anderen gegenüber gewalttätig werden oder sich ein Ziel für Widerstand suchen. Gegen wen oder wogegen ist dabei beinahe egal. Als dritte Möglichkeit wenden sie sich gegen sich selbst und verletzten sich ebenfalls körperlich oder psychisch selbst.

Die Angst hält solange an, bis die Bedrohung vorüber ist oder wir uns an die Bedrohung gewöhnen. Das hört sich seltsam an, aber wir gewöhnen uns tatsächlich an alles, wenn es nur lange genug anhält. Resignation ist ein Stichwort. Adaptation ein anderes. Resignation bedeutet Aufgabe gegenüber einer übermächtigen Bedrohung. Adaptation bedeutet die Annahme der neuen Situation. Bei der Resignation geben wir uns geschlagen und erkennen, dass wir unsere Zukunft nicht selbst bestimmen können. Die psychologische Folge ist ein Gefühl der Hilflosigkeit. Auch die Resignation kann zu Depressionen führen. Die Adaptation hingegen bedeutet die Rückkehr zu deinem Normalverhalten und eine Normalisierung deiner Gefühlswelt. Wie anders lassen sich spielende Kinder in einem Kriegsgebiet erklären oder Menschen, die einem geregelten Tagesablauf nachgehen, trotz heftiger Einschränkung durch Krankheiten?

Adaptation ist eine wundervolle Sache. Am besten ist sie so erklärt: Du besitzt einen Werkszustand, wie ein beliebiges Gerät, zum Beispiel ein Computer oder Smartphone. Dieser wird durch deine genetischen Anlagen und dein Umfeld in den ersten Jahren deines Lebens geprägt. Er ist nicht unbewusst veränderbar, also du kannst ihn nicht aus versehen verstellen und nur sehr wenige Ereignisse können ihn nachhaltig beeinflussen. Dieser Zustand ist entweder positiv oder negativ, je nach Weltanschauung und Überzeugung. Du kennst sicher diese Menschen, die immerzu gut gelaunt sind, egal, was Schlimmes passiert? Oder diejenigen, denen nichts gut genug sein kann? Oder diejenigen, die immer nur das Schlimme in allem sehen? Diejenigen, die zuerst die Fehler und nicht die Chancen sehen? Oder umgekehrt? Ganz genau. Du bist einer von ihnen. Adaptation sorgt nun dafür, dass du zu dieser Werkseinstellung zurückkehrst, sobald bedrohliche Situationen lange anhalten und sie dir nicht mehr absolut fremd vorkommen. Ein Beispiel: Menschen, die Querschnittsgelähmt werden, können trotz des unvorstellbar schrecklichen Schicksals als “Bewegungswesen”, die wir alle sind, nach einem halben Jahr oder Jahr wieder absolut positiv in die Zukunft blicken und fröhlich sein. Genauso können Glückspilze, die zu Reichtum oder einem tollen Partner gekommen sind, nach einem halben Jahr oder Jahr pessimistisch und schlecht drauf sein. Ja, Adaptation wirkt auch in Glücksfällen. Sie wirkt immer, egal was passiert, so lange du davon nicht stirbst.

Nun haben wir beide uns einmal vor Augen geführt, wie Angst entsteht und welche Folgen sie hat. Woher stammt Angst denn? Sie ist ein Überbleibsel aus einer Zeit, als unsere Vorfahren noch nicht die kognitiven Mittel besaßen, sich die Welt zu erklären und Untertan zu machen. Sprich: das Gehirn war unterentwickelt und kaum Wissen über die Beschaffenheit der Welt vorhanden. Sie waren auch biologisch nicht dazu in der Lage, diese Erkenntnisse zu gewinnen. Ihr Überleben konnte nur durch Flucht und Kampf gesichert werden. Ein Angstimpuls bedeutete damals in jedem Fall noch die direkte Bedrohung durch den nahen Tod. Heute laufen die allermeisten Angstimpulse ins Leere, denn es besteht für uns im alltäglichen Leben kaum noch die Gefahr, sofort und umgehend zu sterben. In den meisten Bereichen haben wir immense Sicherheitsnetze entwickelt und entwickeln sie stets weiter. Wir kümmern uns als Gesellschaft auch um die Schwächsten, so gut wir können. Alles ist darauf ausgerichtet, die Gefahren zu minimieren. Die meisten unmittelbar lebensbedrohenden Tiere sind ausgerottet oder nur noch in Zoos zu besichtigen. Allenfalls in totaler Wildnis finden wir sie noch oder es handelt sich um Tierarten, deren Verbreitung wir nicht in den Griff bekommen. Gerade im gemäßigten Klimabereich und in den westlichen Ländern besteht kaum noch eine tägliche Gefahr, das Leben zu verlieren, ohne einen Unfall zu erleiden. Selbst die meisten Naturkatastrophen haben wir einigermaßen im Griff. Und wären nicht so viele Menschen gierig und machthungrig (übrigens Auswüchse tief sitzender Überlebensängste wie Angst vor Kontrollverlust, Angst vor Armut und dem damit einhergehenden Überlebenskampf und die Angst, nicht genug zu sein) würde es keine Armut und auch keine Umweltverschmutzung auf dem heutigen Level geben.

Nun aber genug der Vorrede. Jetzt, da du dich bewusst mit dem Thema Angst beschäftigt hast, wirst du vielleicht die Erkenntnis daraus ziehen, dass 99% all deiner Ängste unbegründet und ziellos sind. So sehen es jedenfalls Psychologen und Angstforscher. Alle Ängste lassen sich auf zwei grundlegende Faktoren reduzieren. Unbekanntes erzeugt Angst, weil wir nicht wissen, ob wir davon sterben. Zudem beschäftigen wir uns ungern mit der Angst, da wir Angst davor haben, uns unseren Ängsten auszusetzen. Also die sprichwörtliche Angst vor der Angst hält uns davon ab, sie genauer zu betrachten.

Die Psychologie rät immer wieder dazu, sich den Ängsten zu stellen und sie zu durchleben. Warum solltest du das tun? Wer ist so verrückt, sich Situationen auszusetzen, die wir natürlicherweise eigentlich vermeiden, weil sie uns körperliches Unbehagen und sogar Schmerzen verursachen? Das ist doch widernatürlich! Neee, ist es gar nicht. Deine Ängste halten dich entweder zurück, Dinge zu tun, die dir Spaß bereiten könnten oder die dein Leben erleichtern würden. Sie bewegen dich dazu Dinge zu tun, die du bereust oder die dich sogar krank und kaputt machen. Angst führt zu Tod. Viele Menschen sterben jährlich an den Folgen ihrer Angstvermeidungsstrategien. Alkoholismus und Leberzirrhose, Drogentod durch Überdosis, Tod im Verkehr durch riskantes Fahren. Ja, das ist auch eine Art, die Angst zu kanalisieren. Kampftypen lassen die Aggression, die durch Angst entsteht in Situationen raus, die sie vermeintlich unter Kontrolle haben. Nochmal zum Verständnis: alle Aggression und jeglicher Widerstand entsteht durch Angst.

Also sind die Folgen der Angst oft schlimmer, als die Folgen der Dinge, die die Angst auslösen. Deine Ängste gefährden zudem andere Menschen. Sei es durch deine Reaktionen darauf oder dass du sie mit deiner Angst ansteckst. Die Hamsterkäufe in Notsituationen bedrohen oft das Leben von mehr Menschen, als die eigentliche Ursache der Angst, weswegen die Hamsterkäufe stattfinden. Wenn Chaos ausbricht, neigen Menschen zu Egoismus und Sicherung des eigenen Überlebens. In Grenzsituationen sind schon mehr Menschen durch Plünderungen zu Opfern geworden, als durch den aufziehenden Sturm oder die Revolution in einem Staat. Die Angst macht dich zu einem Mitläufer einer vermeintlich unbesiegbar aufstrebenden Macht, die ein System aus Angst und Schrecken aufbaut (Fluchttyp) oder zu einem reaktionären Widerständler, der vor nichts zurückschreckt, um diese Macht zu zerstören (Kampftyp). Beide Varianten führen nicht zu dem eigentlich gewünschten Ziel: einem Leben in Ruhe und Frieden.

Aber was gibt es denn als Alternative? Ganz einfach: Der bewusste Mensch, der sich mit seinen Ängsten auseinandersetzt und weder Angst vor den Ängsten noch Angst vor seinem Tod besitzt.

Ein Mensch frei von Angst ist ein wirklich freier Mensch und nicht kompromittierbar.

Wie kannst du es schaffen, all deine Ängste zu verlieren? Ohne die Angst vor dem Tod zu verlieren gar nicht. Denn die ist die Wurzel des Übels Angst. Und ob du das schaffst, ist fraglich und stellt sich erst im direkten Angesicht des Todes heraus. Doch jede Angst, die du nicht mehr besitzt, kann dich nicht mehr quälen und das befreit dich ein Stück. Viele Ding tun wir aus Angst, dass jemand schlecht über uns denkt und wir ausgegrenzt werden. Ausgrenzung bedeutete früher auch den Tod. Doch heutzutage finden sich fast immer ein Menschen, die deine Handlungen akzeptieren und nichts Schlimmes daran finden. Selbst vorübergehende Isolation durch Verlust des Familien-, Freundes- und Bekanntenkreises hebt sich meist nach kurzer Zeit auf und führt maximal zu Langeweile und nicht zwangsweise zum Tod. Die Grundversorgung ist fast überall auf der Welt gesichert. Sofern man sich nicht selbst zurückzieht, ist es unumgänglich, neue Bekanntschaften zu schließen. Solange deine Taten nicht gegen überall anerkannte Grenzen verstoßen, findest du immer leicht Gleichgesinnte (leider auch im negativen Sinn). Von allen Religionen, die in den letzten Jahrtausenden unser tägliches Leben beeinflusst und die Lebensweise unserer Vorfahren diktiert haben, wurde uns eingetrichtert, dass Angst uns zu besseren Menschen werden lässt, denn angstfreie Menschen würden immer böse handeln und gegen alle Regeln verstoßen. Das ging soweit, dass wir im Allgemeinen annehmen, dass der Mensch immer zuerst einmal niedere Instinkte auslebt und schlechtes tut. Mittlerweile ist die Wissenschaft jedoch dahinter gekommen, dass es genau anders herum ist. Der freie und angstfreie Mensch, der mit sich und seiner Umwelt in Frieden lebt, hat gar keinen Grund, seine niederen Instinkte zu leben und böses zu tun, da er zufrieden ist. Ganz im Gegenteil zu angstgetriebenen Menschen. Die Diktatur der Angst wurde und wird von Religionen und Staaten aufrecht erhalten, um die Menschen besser unter Kontrolle zu halten. Dazu wurden auch Konstrukte wie Himmel und Hölle im Sinne von Sühne und Strafe erfunden.

Schau dir an, was ein angstfreier Mahatma Ghandi erreicht hat oder ein angstfreier Martin Luther King. Jedoch erzeugen angstfreie, bewusst lebende und damit schwer kontrollierbare Menschen Ängste bei den machthungrigen und kontrollsüchtigen Menschen an den Spitzen der Gemeinschaften und Staaten.

Angstfreiheit funktioniert nur in Zusammenarbeit mit wachsender Bewusstheit.

Je bewusster du lebst, desto klarer wird dir, dass deine Ängste nutzlos sind und die Ereignisse, vor denen du dich fürchtest nur mit einer Chance von 1 zu 10.000 eintreten. “Ja, aber was, wenn es dann doch eintritt und das 10.000ste Mal ist?” Dann stirbst du oder gewöhnst dich an deine neue Realität. Und je weniger Angst du hast, desto schneller passt du dich der Situation an. Solltest du sterben, ist eine Anpassung nicht notwendig. Und in den meisten Fällen stirbst du so schnell, dass sich die Angst davor gar nicht lohnt.

Veränderungen sind unvermeidlich, die Angst davor schon.

Wie kannst du nun deinen Ängsten begegnen und sie überwinden, fragst du dich vielleicht. Sei bewusst und lebe bewusst. Zurück zu dem Gerät mit der Werkseinstellung. Wenn du einen Fernseher oder Computer oder ein Smartphone kaufst, dann kommt dieses Gerät mit einer Voreinstellung, in denen du die allernotwendigsten Funktionen nutzen kannst. Ohne das Gerät deinen Bedürfnissen anzupassen, wirst du nicht viel machen können. Du kannst vielleicht ein, zwei, drei TV-Kanäle schauen, einen Text schreiben und ein bisschen herumklicken am PC oder mit dem Smartphone telefonieren. Ohne es bewusst einzurichten, kannst du nicht mal im Internet surfen oder Bilder am PC anschauen, die du mit dem Smartphone geknipst hast. Genauso ist es im Leben. Ohne bewusste Handlungen tust du nur das, was du als genetische Anlage mitgebracht und was du als Kleinkind gelernt hast. Solange du nicht bewusst hinterfragst, ob das alles sinnvoll für dich ist und ob es nicht anders viel besser sein könnte, gehst du nur täglich zu einer Arbeit, die dich nicht erfüllt, um dir Dinge leisten zu können, die du nicht brauchst. Du heiratest den Partner, der dich am wenigsten verängstigt und dir am meisten Sicherheit bietet. Du setzt alles daran, Angst zu vermeiden und lebst ein Leben, das eben gerade so erträglich ist, bis es eines Tages vorbei ist und du dich auf dem Sterbebett fragst, ob das schon alles war. Und auch wenn deine Kinder dir eine Zeit lang Erfüllung beschert haben, kehrt die Unerfülltheit wieder, sobald sie aus dem Haus sind. Dann heißt es auf die Enkelkinder zu warten. So scheint das Leben leicht zu sein. Doch immer wieder wird es von Veränderungen erschüttert und du setzt alles daran, diese zu vermeiden oder zu bekämpfen. Dazu setzt du all deine Energie ein. Energie, die du nicht zurück bekommst. Ängste laugen aus. Mit der Zeit hast du keine Energie mehr und Resignation setzt ein, egal ob du Flucht- oder Kampftyp bist. Du wirst müde, immer davonzulaufen oder immer zu kämpfen. Insgesamt gesehen war dein Leben immer anstrengend und hat dich aufgezehrt. Sollte es noch nicht so weit sein, macht dir diese Aussicht Angst? Glaubst du, dir passiert das nicht und willst du alles dafür tun, dass es nicht dazu kommt? In beiden Fällen bist du auf dem Weg dorthin.

Nun kommt aber wirklich die Anleitung, wie du deine Ängste in den Griff bekommst und besiegen kannst – wie du angstfrei wirst. Sie ist ganz einfach. Vertraue.

Akzeptiere, dass du niemals gänzlich angstfrei sein wirst und dass das nicht schlimm ist. Gleichzeitig stelle jede Flucht, jeden Kampf und jeden Widerstand ein. Tun einfach nichts, wenn du Angst hast. Sichere dich soweit ab, dass du niemand anderem damit schadest und dass du nicht in absichtlich oder fahrlässig in lebensbedrohliche Situationen gerätst. Sobald eine Angst auftritt, werde bewusst. Sage dir selbst erst einmal “Stopp”. Denke an diesen Artikel. Du weißt jetzt, woher deine Ängste kommen. Mach dir klar, dass du nicht sofort sterben wirst. (Die Ausnahme sind natürlich Situationen, in denen du wirklich sterben könntest. Dann lauf oder kämpfe, je nachdem, was dir angemessen erscheint!) Durchlebe die Angst mit offenen Augen und halte sie aus. Wenn du das beim ersten Mal nicht schaffst, sei nicht traurig und setze dich nicht unter Druck. Du bist nicht gescheitert und kannst es immer wieder probieren. Allein der Versuch, die Angst durchzustehen, macht dich bereits zu einer Gewinnerin oder einem Gewinner. Schau dir immer das Ergebnis deiner Handlung an und was passiert, wenn du der Angst nachgibst oder wenn du ihr widerstehst. Geschieht überhaupt etwas Negatives, an das du dich nicht anpassen kannst? Hast du Angst davor pleite zu gehen, erkundige dich mal, was dann genau passiert, sollte es wirklich dazu kommen. Kannst du es drauf ankommen lassen, dann investiere dein Geld mit Verstand und riskiere etwas. Zuerst am Besten in kleinen Mengen. Nicht jeder muss Unternehmer werden. Doch sobald du dich damit bewusst beschäftigst, wirst du erkennen, dass die Folgen deines Handelns dich nicht sofort in den Ruin treiben. Es existieren viele Möglichkeiten weiterzumachen, auch wenn du mal pleite gehen solltest. Ängste mit gegenteiligen und überzogenen Handlungen zu “bekämpfen” hat nichts mit bewusstem Leben zu tun, sondern ist ebenfalls eine Angstreaktion (Kampf).

Finde bei jeder Angst heraus, was das Schlimmste ist, das dir passieren kann, ohne zu sterben. Wie verhält sich das mit der Spinne oder der Schlange. Ist die überhaupt giftig? Welche Art ist es denn überhaupt? Was macht die so, wie lebt sie und wozu ist sie gut? Wie kann ich sie selbst aus meinem Leben beseitigen, ohne zu sterben (und ohne das Tier zu töten)?

Genau diese Fragen kannst du dir bei jeder Angst stellen, wenn du sie durchlebst.

Was macht die Angst mit mir? Welche Konsequenzen hat die Situation gehabt, als ich meiner Angst nachgegeben habe und welche Folge ist eingetreten, als ich einfach nichts getan habe? Wie sieht eine bewusste und besonnene Handlungsweise aus? Wozu ist die Angst eigentlich gut? Wovor habe ich eigentlich wirklich Angst?

Schau hin und sei ehrlich zu dir selbst.

Mit dir kannst du jederzeit ehrlich sein, weil dein Gehirn sowieso merkt, wenn du es anlügst. Schau dir Ablauf und Ergebnis der Situation wirklich bewusst an und sei absolut ehrlich.

Wenn du ein Aufschreibmensch bist, dann führe ein Angsttagebuch, wo du dir die Antworten auf die Fragen notierst. Bist du wie ich ein Merkmensch, dann merke dir die Antwort der Fragen. Ich sage dir voraus, dass du in kürzester Zeit feststellen wirst, dass die meisten deiner Ängste unbegründet sind. Du wirst feststellen, dass die Angst davor, dich mit der Angst zu beschäftigen am größten war. Du wirst feststellen, dass du eine Angst, die du einmal gemeistert hast, nicht mehr als schlimm empfindest. Und du wirst dich jedes Mal ein bisschen freier fühlen. Je weniger Ängste du hast, desto mehr wächst dein Vertrauen. Das nennt man Resilienzen aufbauen.

Gehörst du zur ungeduldigen Sorte Mensch, dann beschäftige dich mit deiner Zukunfts- und Todesangst. Sobald du beide bewusst durchlebt und überlebt hast, wird dir kaum noch eine Angst zu schaffen machen. Begib dich bitte dabei nicht in Gefahr und handle nicht überstürzt.

Angst zu er- und durchleben, ohne in Flucht-Kampf-Reaktion zu verfallen ist eine Übung, die sich lohnt. Wir sind eine Spezies, die sich über Jahrtzehntausende allen Umständen angepasst und überlebt hat. Es geht mittlerweile nicht mehr nur ums Überleben, sondern darum gut und nach den eigenen Bedürfnissen zu leben. Es geht nicht mehr darum, einen Fernseher zu besitzen, sondern darum, ihn passend für sich einzurichten ohne Angst davor zu haben, dass er dadurch kaputt geht. Es geht darum, angstfrei zu leben.

Je weniger Angst du hast, desto größer ist dein Vertrauen und je größer dein Vertrauen ist, desto größer ist deine Liebe.

Die Liebe zu dir selbst und zum Leben und zu allen anderen Lebewesen, Dingen und Vorkommnissen. Und je größer deine Liebe zu allem ist, desto weniger kann dir geschehen und desto weniger brauchst du im Leben wirklich. Die meisten Dinge, die wir nicht benötigen, um das zu tun, was uns entspricht, haben wir nur, um die Löcher der Liebe zu flicken.

Nun noch kurz zur Adaptation. Solltest du eine negative Grundeinstellung zum Leben und zu Menschen und anderen Lebewesen haben und immerzu zu dieser Einstellung zurückkehren, egal was passiert, kannst du diese genau auf dieselbe Weise ändern, wie du deine Ängste beseitigst. Lebe bewusst, schau dir alles genau an und sei einfach dankbar und froh, dass du lebst.

Wenn du glücklich sein willst, sei einfach glücklich.

Der einzige Mensch, der dich davon abhalten kann, bist du mit deinen Erwartungen.

So einfach sind alle Dinge im Leben. Wir machen sie nur selbst kompliziert.