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- 1.2 Weite Seelen, Seelenweite

Der Begriff Kragenweite ist dir bestimmt bekannt. Sie gibt an, wie weit der Umfang des Hemdkragens sein darf, damit er dich nicht einengt, sobald du ihn zugeknöpft hast. Was hat das mit der Weite der Seele oder der Seelenweite zu tun?
Warum überhaupt Seelenweite? Was soll dir dieser Kunstbegriff sagen? Welche Bedeutung steckt dahinter?
Wie weit bist du?
Diese Frage stelle ich dir, um dich anzuregen, darüber nachzudenken, wie viel Entwicklungsarbeit du geleistet hast. Zweifelsohne verfügst du über das Interesse, dich aktiv weiterzuentwickeln. Ich begrüße das, auch wenn sich das im vorigen Kapitel vielleicht anders gelesen hat. Da ging es nur um die Art und Weise, wie Entwicklung gesehen wird: zu verkrampft und verbissen.
Wie sieht es nun mit dem Fortschritt deiner Entwicklung aus? Hängst du der Theorie an, dass wir alle einem Weg folgen, auf dem einige weiter vorn und andere weiter hinten sind? Glaubst du, wir erklimmen Leitern oder die Stufen einer Treppe, die uns in die Glückseligkeit führt und einige sind weiter oben als andere? Sind es Spiralen, Kreise oder sonstige geometrische Formen, bei denen es ums Vorankommen geht? Seit ich von diesen Konzepten erfahren habe, sagt etwas in mir, dass das alles nur ein unpräziser Vergleich ist, der hauptsächlich von unseren Egos gezogen wird, damit wir uns weiter und besser fühlen können.
Wie weit bist du?
Die Frage zielt darauf ab, die Öffnungsweite deines Kragens zu erfahren. Oder besser gesagt die Größe deiner Öffnung gegenüber deiner Seele. Oder noch anders gefragt: Wie offen bist du dem Sein, dem Leben, dem Universum, den Menschen und allen anderen Liebewesen gegenüber?
Die Christen glauben, dass die Seele an nur einer einzigen Stelle vollständig im Körper sitzt, und dabei in eine winzige Form komprimiert ist. Stirbt man, entweicht sie durch den letzten Atemzug (spiritus lat. Atem). Die im Leben gesammelten Daten steigen zusammen mit der Seele in den Himmel auf. Wahrscheinlich stammt diese Vorstellung daher, dass unser warmer Atem an kalten Tagen sichtbar wird und gen Himmel zieht. Im Himmel vereint sich die Seele mit Gott und übergibt die gesammelten Daten an ihn. Gott freut sich bestimmt – doch warte, eigentlich ist er bereits im Besitz aller Daten, da er alles Sein penibel überwacht. Warum sollte er also die Seele und deren gesammelte Daten benötigen?
Mein Verständnis und mein Modell[1] funktionieren anders.
Wir materialisierten Wesen bestehen aus drei Komponenten. Der Körper, der uns im Hier-und-Jetzt verankert und uns Sinneseindrücke und Erfahrungen ermöglicht trägt den Verstand in sich.[2] Der Verstand wiederum sorgt für die Verarbeitung und Aufbewahrung der vom Körper wahrgenommenen Eindrücke. Er kümmert sich um die Körperfunktionen und steuert unsere alltäglichen Handlungen. Außerdem werden durch ihn Gefühle produziert. In den letzten Jahrhunderten übernahm er immer mehr Aufgaben, da wir in einer Zeit der Ratio (der Vernunft) leben. Seit der Epoche der Aufklärung ist Rationalität oberstes Ziel und der gesunde Menschenverstand überall gefordert. Für viele Menschen ist der Verstand wichtiger als alles andere. Deswegen vernachlässigen sie den Körper. Anders herum gibt es das natürlich genauso. Manche Menschen leben nur für ihren Körper und vernachlässigen den Verstand. Sie treiben Sport bis zum Zusammenbruch oder körperlich irreparablen Schäden, lassen ihre Schönheit künstlich steigern und kämpfen gegen das Altern an. Sie definieren sich über ihre Ernährungsweise und sehen den Körper als Tempel.
Doch wo bleibt die Seele in diesem Modell? Hier kommen die spirituellen Menschen ins Spiel. Sie ziehen die Seele allem anderen vor, denn sie glauben, dass nur die Seele das Heil und die vollkommene Glückseligkeit bringen kann. Dabei vernachlässigen sie oft Körper und Verstand. Sie zwingen beide in die Knie mit teilweise schwer belastenden Übungen und sogar schädlichen Drogen, um Zustände zu erreichen und Erfahrungen zu machen, die in dieser Art nur durch Schädigung oder Beeinträchtigung von Körper und Verstand möglich sind.
Den Körper sieht man und er wurde in den letzten Jahrhunderten hinlänglich erforscht und beschrieben. Der Verstand wird immer noch von Wissenschaftlern und Psychologen erforscht, doch da geht es nur noch um einige Kleinigkeiten und Anomalien. Die Seele ist praktisch unerforscht. Natürlich tun alle dogmatischen Organisationen der Spiritualität so, als hätten sie sie entschlüsselt und wüssten genau, wie sie funktioniert. Schaut man sich ihre Denkmodelle genauer an, so erkennt man, dass alle nur blind herumraten und keinerlei Ahnung haben, was die Seele wirklich ist. Bisher ist es noch niemandem gelungen, sie zu testen, zu messen und zu analysieren. Also rate auch ich herum. Bei der folgenden Schilderung handelt es sich um meine persönliche Ansicht, die mir hilft, das Universum und meine Seele zu verstehen. Sie bringt alle meine Erfahrungen übereinander und bildet so ein für mich stimmiges Gesamtwerk.
Das Universum besteht zum allergrößten Teil aus Energie, die sich stellenweise verdichtet hat, um Masse und Körper zu bilden. Diese Energie nenne ich Seele. Die Seele ist unendlich. Sie kennt keine Zeit. Sie existiert schon immer und wird immer existieren. Deswegen ist sie auch nicht verletzbar oder zerstörbar. Die Seele weiß alles. Doch alles zu wissen ist nicht dasselbe wie alles erfahren und erlebt zu haben. Du stimmst mir vielleicht zu, dass jemand, der niemals am Meer war, durch das Fernsehen oder über das Internet herausfinden kann, wie es dort aussieht. Er kann alles darüber lesen, wie es sich am Meer anfühlt. Er kann ahnen, wie es ist, am Meer spazieren zu gehen, eine leicht salzige Brise auf der Haut und Sand zwischen den Zehen. Doch solange er es nicht selbst erlebt hat, ist es lediglich eine Vorstellung. So geht es der Seele ebenfalls. Sie weiß alles, hat aber nicht alles selbst erlebt. Also materialisiert sie sich. Sie bildet ein kleines Stückchen Materie. Nur wenige Moleküle. Danach sorgen die Gesetze der körperlichen Welt dafür, dass die Seele weitere Materie um sich sammelt. Materie, die bereits in der Welt vorhanden ist, verdichtet sich um sie. Sie beginnt sich zu entwickeln und wächst heran. Dann erlebt und erfährt die Seele, was sie sich vor Antritt der Reise vorgenommen hat. Da der Körper und der Verstand auch aus Seelenenergie bestehen, können beide auf diese Erlebnisse einwirken und jederzeit entscheiden, dass sie nicht so sind, wie die Seele sich das vorher vorgestellt hat. Sie können sich umentscheiden und diese Entscheidung durch Handlungen untermauern. Das nennt man den freien Willen.
Nun kommen wir zum schwierigen Teil, der eigentlich ganz einfach ist. Entscheiden Verstand oder Körper, dass die Erfahrung in eine andere Richtung verlaufen soll, so ist dies auch eine Entscheidung der Seele, da alle drei untrennbar verwoben sind. Da die Seele keine Zeit kennt, ist im Moment der Umentscheidung auch gleichzeitig von Anbeginn der Zeit festgelegt, dass es so kommen wird. Es ist vorbestimmt. Demnach gehen Vorbestimmung und freier Wille miteinander einher. Wir entscheiden uns im Hier-und-Jetzt und unser bisheriger Weg, sowie unser Weg in die Zukunft sind gleichzeitig ab jetzt und zwar seit jeher vorherbestimmt. Sobald wir uns erneut entscheiden, verändert sich die Vorhersehung wiederum vom Anbeginn der Zeit bis jetzt. Zeit existiert nur in der materiellen Welt, da sie unserem Körper ermöglicht, Dinge gezielt und eingeschränkt nacheinander wahrzunehmen. Der Verstand kann diese Wahrnehmung nur im Hier-und-Jetzt verarbeiten und legt die Daten dann in seinem Speicher als Erinnerungen ab. Die Beschränkung auf eine einzige Variante der unendlichen Möglichkeiten in jedem Moment des Lebens ist notwendig, damit jede Erfahrung so intensiv wie möglich ausgeprägt stattfindet. Würde die Seele alles auf einmal wahrnehmen und verarbeiten, wären die einzelnen Eindrücke weniger bedeutsam. Deswegen startet die Seele in jedem materiellen Existenzzyklus ohne Erinnerungen, ohne Vorwissen und ohne Belastung, um komplett frei für ganz neue Wege und Erfahrungen zu sein.
Ich hoffe, ich konnte mein Modell möglichst einfach erklären. Was ich über die Funktionsweise des Universums und der Seele in mir fühle, besitzt Dimensionen, die Worte nicht fassen können. Dafür müssten gänzlich neue Worte oder sogar Sprachen erfunden werden. Da unsere Vorstellungskraft und Hirnleistung jedoch sehr begrenzt sind, würden auch diese Worte nicht einmal annähernd die Wirklichkeit beschreiben.
Ich versuche es noch einmal mit anderen Worten: Die Seele ist unendlich und besteht aus Energie. Sie zieht sich punktuell zusammen, verdichtet sich zu Materie, also zu einem anfassbaren oder spürbaren und messbaren Stück des Universums und sammelt immer mehr Materie durch Anziehung und physische Entwicklung um sich, bis es die richtige Größe erreicht hat. Dabei bildet sich alles, was zu der Materie gehört, also ein fertiger menschlicher Körper zum Beispiel, oder unsere Sonne und unser Planet Erde. Die Materie wird durch ihre Masse (denn Masse ist das, was Materie ausmacht), an die Zeit gebunden. Massenlose Energie kann überall gleichzeitig sein und sofort ihre Richtung ändern, um irgendwo anders zu wirken.
In der Zeit erlebt und erfährt die Materie Dinge, die sie als Seele schon weiß. Dann zerfällt der Körper und wird umgewandelt in reine Energie. Sie ist wieder vollständig Seele. Dieser Kreislauf wiederholt sich unendlich oft. Du wirst also niemals das letzte Mal hier sein. Deine Seele hat so viel Freude am Erleben von allem, das möglich ist, dass sie genau dies am Allerliebsten tut. Sie beginnt als Einzeller. Das Konzept Mensch ist nur eine der vielen Zwischenstationen in der Evolution der Seele. Vor uns kamen und nach uns kommen andere Wesen, deren Leben wir uns nicht einmal in unseren Träumen ausmalen können. Sie ermöglichen deiner Seele, ganz anders geartete Erfahrungen zu durchleben. Da alles im Universum auf evolutionäre (sprunghaft fortschreitende) Entwicklung ausgerichtet ist, kannst du kein Frosch, keine Katze und kein Schmetterling mehr werden. Das warst du schon alles. Vielleicht verlässt deine Seele sogar eines Tages diesen Planeten und sucht in weit entfernten Galaxien nach neuen Erlebnissen. Wer kann das schon so genau wissen? Doch das ist für uns unerheblich. Zunächst sind wir im Hier-und-Jetzt.
Aus all dem schlussfolgert sich auch, dass im Leben keine Zufälle existieren, da in dem Moment, wo du eine Entscheidung triffst, diese bereits am Anbeginn der Zeit festgelegt wird und die entsprechenden Erfahrungen zu dir kommen. Manchmal als Zufall getarnt. Nicht umsonst kann man das Wort aufteilen: zu fällig. Also bereits seit Langem fällig.
Nun kommen wir zur Seelenweite. Je weiter du geöffnet bist, desto leichter nimmst du die Seelenimpulse wahr. So nenne ich jene Gedanken und Gefühle, die nicht aus dem Verstand stammen. Die Seelenimpulse lassen dich alle deine Handlungen so vollziehen, dass sie genau dir entsprechen. Je weiter dein Horizont, also deine Erfahrungswelt, von dir zur Seele reicht, desto mehr gelangst du in einen Zustand des Friedens und der dauernden Freude, verstehst schnell, was Glück wirklich bedeutet und desto mehr Liebe kann in dein Leben strömen. Je offener du durchs Leben gehst, desto weniger lässt du dich von deinen Ängsten und Vorurteilen leiten. Du erlangst wirkliche Freiheit, die Freiheit von dem WIR GEGEN SIE. Du wirst wirkliche Sicherheit finden: Die Sicherheit, dass in jedem Moment alles optimal ist und dass dir nie etwas Schlimmes geschieht.
Von dieser Weite und Offenheit handelt dieses Buch.