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Die Comics gibt es nur in der Taschenbuchausgabe

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1.5 Stehe ich richtig

Lesedauer: 8 Minuten

›Mach es einfach‹ kann jedoch auch komplett anders verstanden werden, wenn man den Fokus auf den letzten Teil richtet: Mach es einfach. Verkompliziere die Dinge nicht unnötig.

Wir neigen alle dazu, unsere Herausforderungen auf eine sperrige und komplizierte Weise anzugehen. Unser Verstand steht uns meist im Weg, denn er ist ein alter Zweifler. Sobald du inspiriert bist und eine tolle Idee hast, fallen ihm spontan eintausendundzwei Gründe ein, warum deine Idee nicht funktionieren wird. In langen Monologen zählt er dir die Liste der Dinge auf, die schief gehen können. Dein Gedächtnis spuckt Erinnerungen an ähnliche Ideen aus, an denen du gescheitert bist. Komischerweise fallen ihm nur bei angestrengtem Nachdenken positive Ergebnisse ein. Außerdem sammelt dein Gehirn sämtliche Aussagen von Dritten, denen schlimme Dinge passiert sind, während sie auch nur annähernd – ganz entfernt – ähnliche Ideen umgesetzt haben. Die Stimme in deinem Kopf bequatscht dich so lange, bis du die Idee fallen lässt, aufgibst und sie erst gar nicht ausprobierst. So ist jedenfalls die Standardeinstellung. 

Dein Verstand versorgt dich jeden Tag mit 60.000 bis 90.000 Gedanken. Die meisten davon kommen ohne Bestellung frei Haus und verschwinden gleich wieder. 60%, also 36.000 bis 54.000 Gedanken ziehen einfach als innerer Monolog vorbei. Sie haben kaum eine Bedeutung für dein Bewusstsein, beziehen sich auf Tätigkeiten, die schnell verrichtet sind oder auf zukünftige oder vergangene Ereignisse, die du ganz schnell wieder vergisst. 37% der Gedanken deines Verstands (22.000 bis 33.330) sind negativ ausgerichtet. Oh! Mein! Gott! Warum das? Da bleiben ja nur noch 3% für positive Gedanken übrig! 1800 bis 2700 Chancen für Glück und Freude an jedem Tag! Anstatt 60.000 bis 90.000!  Hilfe! Hätte ich das nur früher gewusst! Dieser Verstand ist ja katastrophal aufgebaut! Da hat er aber was gründlich falsch verstanden! Kleiner Hinweis: Verstehen kommt vielleicht von stehen. In Verbindung mit der Vorsilbe »ver«, die allgemein für eine falsche Sache genutzt wird, wie z.B. das Verbrechen, das Vergehen, das Versehen, sich vertun oder sich verfahren, ergibt das dann einen falschen Stand. Dein Gehirn ist also auf einem anderen Stand als deine Seele. Sie stehen nicht gut zueinander. Dein Gehirn steht ca. 100.000 Meter weit entfernt von deiner Seele.

Die Voreinstellung des Gehirns, vor allem negativ zu denken, hat sich im Laufe der Evolution als praktisch erwiesen. Wir erinnern uns viel stärker an negative Dinge, wie Verletzungen, giftige Nahrungsmittel, tödliche Tiere, Unfallquellen, wann extrem schlechtes Wetter war und wie es zu der letzten, riesigen Flutwelle kam oder welche Anzeichen für einen Vulkanausbruch am nächsten Mittwoch sprechen. All diese Erinnerungen haben uns zwei Dinge gesichert: das Überleben und die Angst. Im Grunde genommen ist beides so ziemlich dasselbe. Aus unseren Ängsten heraus unterlassen wir Unternehmungen, die uns gefährden könnten. Denkst du das einmal logisch und konsequent bis zum Ende durch, verlässt du am besten dein Bett nicht mehr, denn selbst beim Aufstehen kannst du stolpern und dir das Genick brechen. Doch liegst du dauerhaft im Bett, zieht auch das tödliche Konsequenzen nach sich. Du kommst sowieso nicht ohne den Tod aus dieser Misere namens Leben heraus. 

Nun leben wir schon lange in einer relativen Sicherheit vor all jenen Dingen, die vor 50.000 oder auch nur 1000 Jahren unser Leben ziemlich schnell und abrupt beenden konnten. Die meisten gefährlichen Tierarten sind gezähmt, eingesperrt oder ausgerottet. Alle giftigen Substanzen sind hinreichend erforscht und für die meisten existieren schnell wirkende Gegengifte. Außerdem werden kaum noch neue Gefahren entdeckt. Die meisten Gefahren gehen von uns selbst aus. Unfallquellen werden uns bereits von Kindesbeinen an eingetrichtert. Wozu brauchen wir die Grundeinstellung unseres Gehirns dann eigentlich noch? Warum ist es noch so, wie vor Urzeiten?

Ganz einfach. Wir werden in Angst gehalten und halten uns gegenseitig in Angst. Spätestens die Menschen, die in der Hierarchie über dir stehen und Kontrolle über dich ausüben wollen, werden zuerst deine Ängste ansprechen. Die Angst, nicht gut genug zu sein und deine Zukunftsangst, ob du deinen Job behältst. Dein*e Partner*in droht mit Beendigung der Beziehung oder Liebesentzug, wenn du nicht nach seiner*ihrer Pfeife tanzt. Versicherungen zeigen dir alle Möglichkeiten auf, wie du mitsamt deinem Besitz zu Schaden kommen könntest, damit du ihre Policen und vorgegaukelte Sicherheit mietest. Alle Medien, die uns mit Angst versorgen, bekommen die meiste Beachtung von uns. Überall arbeiten die Menschen mit Angst, um dich gefügig zu machen, ruhig zu halten, dir etwas zu verkaufen oder kurz gesagt, um dich zu manipulieren. Ihr Weg ist der Einfache, denn du springst zu 92,5% darauf an. (Die Mathematik dahinter: 60% unwichtiger Gedanken, die werden gestrichen. Bleiben noch 40% relevanter Gedanken. 37% davon sind negativ, 3% positiv. Also 37:40×100=92,5%, Rest 7,5%). 

Will man dich mit neutralen oder positiven Mitteln beeindrucken, wirst du sehr wahrscheinlich nicht darauf reagieren oder aus Gewohnheit misstrauisch sein. Die Argumente müssen so stark sein und eindringlich präsentiert werden, dass sie die 92,5% negativer Gedanken ausschalten. So funktioniert positive oder authentische Werbung. Die einzigen Ausnahmen hiervon sind Dinge

a) die wir sowieso haben oder tun wollen, 

b) die uns Genuss und positive Emotionen vermitteln oder 

c) denen wir aus positiven Erfahrungen oder Empfehlungen heraus mindestens neutral oder sogar wohlwollend gegenüberstehen.

Genauso stellt sich auch der Beginn jeglicher Beziehung zwischen Menschen und auch Mensch-Tier-Beziehungen dar. 

Jede neue Situation ist immer gleich: Wir müssen auf irgendeine Art das Misstrauen überwinden, das wir normalerweise jedem Fremden und allem Unbekannten entgegenbringen. Oft schlägt das fehl und wir bemerken es nicht einmal. Da wird ein freundlicher Blick oder ein aufmunterndes Lächeln lieber ignoriert, bleibt ein Kommunikationsversuch unerwidert, wird ein bestimmter Ort gemieden, ohne dass es uns wirklich bewusst ist.

Zum Glück gibt es noch Chemie und Physik. Stoßen wir auf einen Menschen oder Ort, der uns spontan zusagt, liegt das fast immer an unseren Sensoren. Uns gefällt, was wir sehen, jemand riecht verführerisch, ein Geräusch oder eine Stimme erzeugt ein Wohlgefühl in uns. Ein Beispiel: Das erste Aroma, das billig künstlich hergestellt werden konnte war Vanille. Deswegen wurde und wird künstliches Vanillearoma schon seit über hundert Jahren in Babynahrung als Geschmacksträger eingesetzt. Nur wenige  Deutsche mögen Vanille nicht riechen oder essen. Sie löst bei den meisten Menschen ein Gefühl der Geborgenheit und des Vertrauens aus, da sie uns an schöne Momente des Essens und an unsere Kindheit erinnert. Und das an eine Zeit, von der wir kaum etwas wissen. Mit 3 Jahren wird fast der gesamte Gedächtnisinhalt des Gehirns durch einen hormonellen Wachstumsschub überschrieben. Erinnerungen werden gelöscht. Das ist auch gut so, denn was im Alter von 0 bis 3 Jahren passiert, spielt im nachfolgenden Leben keine Rolle mehr. Allein Traumata, Geruchs- und Geschmackserinnerungen bleiben bestehen. Ebenso das bisher motorisch Gelernte wie gehen, rennen, klettern, hüpfen. Ich habe das selbst mitbekommen, als mein Neffe 4 Jahre alt war. In der einen Woche konnte er sich noch lebhaft an Vorkommnisse aus seinem zweiten Lebensjahr erinnern und erzählte mir mit Wonne von ihnen. Einige Wochen später waren die Erinnerungen ausgelöscht. Sie wurden einfach überschrieben, und zwar in großem Stil. Doch seine Vorliebe für Vanilleeis und Vanillekipferl ist geblieben. Babys, die nur selbstgekochte Nahrung zu sich nehmen, weisen diese Vorliebe nicht im selben Maße auf. Ich kenne einige Familien, die bewusst auf Fertignahrung verzichtet haben, um die Prägung auf Zucker und verschiedene Geschmacksstoffe zu verhindern und es hat ausnahmslos geklappt. Deren Kinder, die nun Vanille lieben, tun dies aus sich selbst heraus und nicht aus der Prägung durch Babynahrung. Überleg dir mal, wo überall Vanille das Basisaroma bildet. In fast allen Eismischungen, in vielen Gebäcken, Kuchen und Torten ist Vanille eine wichtige Zutat. Bei Verkaufsgesprächen für hochpreisige Ware wird oft Duftaroma eingesetzt, das uns positiv stimmt. »Neuwagengeruch« gibt es in Flaschen als Parfum und wird bei Limousinen extra versprüht.

Wir stellen also fest, dass unser Gehirn sehr leicht manipulierbar ist, wenn der Absender der Manipulation weiß, was er tut und der Empfänger ahnungslos ist. Ich empfehle dir, dich mit dem Thema Manipulation in der Werbung auseinanderzusetzen. Es gibt da sehr gute Artikel, Videos und Podcasts im Internet oder Bücher zum Thema. Sie wurden meist von Verkäufern und Werbetreibenden für andere ihrer Art produziert, damit nur sie die psychologischen Geheimnisse erfahren und die Tricks wirksam bleiben. Ein kurzer Tipp: Vor einem Kauf oder während eines Verhandlungs- oder Beratungsgesprächs niemals etwas zu Trinken oder zu Essen annehmen und auf keinen Fall auf eine Bitte des Verkäufers oder Beraters eingehen, selbst wenn er nur fragt, ob du ihm ein Taschentuch gibst. Dein Gehirn nimmt das als Beginn einer Vertrauensbeziehung wahr und ist eher geneigt, sich etwas aufschwatzen zu lassen. Wenn du etwas annimmst, dann gilt das als Geschenk. Wir wurden geprägt, Geschenke zu erwidern. Also kaufen wir etwas oder unterschreiben einen Vertag als Rückgeschenk. Gibst du etwas freiwillig aus der Hand, das du nicht wiederbekommst, gilt das in deinen Gedanken als Vertrauensbeweis. Und schon ist der Kaufvertrag besiegelt. Beginnt das Gespräch oder ein Text mit Fragen, die dich sofort ansprechen und bei dir ein schnelles, unbedachtes »JA!« auslösen, verbindet dich das ebenso mit dem Fragesteller. »Sie kennen das doch auch, wenn Sie an einem kalten regnerischen Tag mit dem Fahrrad zur Arbeit fahren und sich wünschten, sie säßen trocken und warm in diesem luxuriös ausgestatteten Auto mit Sitzheizung?« »Wollen sie nicht auch über Nacht reich, schlank und berühmt werden, ohne etwas dafür zu tun?« »Sie sind doch auch Mutter, oder?« »Haben sie manchmal Bauch- oder Kopfschmerzen?« Genau solche Fragen locken dein Gehirn in eine Beziehungsfalle mit dem Manipulator.

Unser Verstand hat einen unsachgemäß großen Einfluss auf unser Leben genommen. Mithilfe eines Coaches oder Trainers kannst du ihn umprogrammieren. Jede schlechte (also für deine Zwecke unpassende) Angewohnheit kannst du in eine gute (für dich positive) wandeln, indem du für jede einzelne mindestens 4 Wochen Negativ-Positiv-Listen schreibst, Mantren aufsagst, Visionboards erstellst und so weiter. Das wird Jahre und Jahrzehnte dauern. Je weiter dein Leben in der Zeit fortgeschritten ist, desto mehr und tiefer verwurzelte negative Angewohnheiten nennst du dein Eigen. Du hast schließlich 37% deiner Zeit, also fast 6 Stunden täglich damit verbracht, sie einzusammeln und zu vertiefen. Bei 8 Stunden Schlaf durchschnittlich, bleiben 6 Stunden negativer Gedanken: 24h(Tag) – 8h(Schlaf) =16h (Wachsein) * 37(% Zeit des Wachseins) : 100 = 5,92. 

Hingegen hast du nur eine knappe halbe Stunde mit positiven Gedanken verbracht. Im Jahr macht das 2.190 zu 182,5 Stunden und bei 80 Jahren Lebenserwartung 799.350 Stunden Negativität gegenüber 14.600 Stunden positivem Denken. Ganz schön erschreckend oder?

Ich wiederhole: Beinahe achthunderttausend Stunden Negativität gegenüber fast fünfzehntausend Stunden positiver Gedanken. Dafür lohnt sich ein paar Jahre Coaching und Gehirntraining hin zum Positiven. Das ist schon irgendwie klar, oder? 

Da sich die Angewohnheiten schneller auflösen und umformen lassen, je weiter man im positiven Denken angekommen ist, benötigst du vielleicht nicht ganz so viel Zeit. Es kostet zwar sehr viel Energie und Aufmerksamkeit, die du zusätzlich zu Job, Familie, Freund*innen und deinen privaten Interessen aufbringen darfst, aber was soll’s, so lange es dir dann besser geht. Du fühlst dich dabei vielleicht wie ein Hamster im Hamsterrad, aber das kennst du wahrscheinlich schon von der Arbeit und bist es gewohnt. Als ich diese moderne Methode ausprobiert habe, fühlte ich mich, als stünde ich auf einer riesigen Wiese, die bestimmt irgendwann einmal wunderschön bunt erblühen wird. Doch leider hat der gemeine Löwenzahn bis auf 3% alle anderen Blumen verdrängt. 60% der Wiese sind immerhin mit grünem Gras bedeckt. Nun beginne ich, jedes Blatt der gelben Blüte und dann den Stempel, die grünen Blätter und schließlich den Stängel einer Löwenzahnpflanze abzureißen. Das dauert etwa drei Wochen. Daraufhin buddle ich eine von mir gewählte Blume ein und gieße sie ordentlich jeden Tag eine Woche lang.  Auf zum nächsten Löwenzahn! Dasselbe von vorn. Bei dieser Geschwindigkeit passiert bestimmt bald etwas. Ganz bestimmt sogar. Nur nicht das, was ich ursprünglich wollte. Bald wachsen  die Löwenzahnpflänzchen nach und verdrängen die von mir gepflanzten Blumen wieder. Löwenzahn besitzt nämlich eine tiefe Wurzel. Die meisten Menschen vergessen die Wurzel herauszuziehen und behandeln nur alles Sichtbare. Wenn du Glück hast, kommen einige lose Wurzeln beim Versuch, den Stängel abzureißen mit heraus. Ich habe mich also die ganze Zeit mit Mantren, Materialisierung, Yoga-Übungen, Meditation, Visionboards, dem Herbeiwünschen einer besseren Zukunft und der Ausradierung von schlechten Gewohnheiten herumgeschlagen, damit sie immer wieder zurückkehren? Sowas! Das ist mir echt zu anstrengend.

Gibt es eine Lösung dafür? Natürlich. Sogar eine ganz einfache: Hör auf, alles zu verkomplizieren. Mache alles einfach.