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- 1.6 Sein oder nichts?

Oder noch ein wenig deutlicher: Lass alles im Sein. Das ist die Aufforderung, alles so zu lassen, wie es gerade ist. Mein Lieblingsspruch hierzu: »Leg deine Hände in den Schoß und tu erstmal gar nichts – warte einfach ab, wie sich alles entfaltet.«
Das mag sich zunächst nach fatalistischer Aufgabe oder faulem Nichtstun anhören, doch liegt der Sinn ganz woanders. Jedes Liebewesen verfügt über eine begrenzte Menge an Energie pro Zeiteinheit (zum Beispiel pro Tag). Unser Körper kann nur begrenzt Energie aus Nahrung gewinnen. Diese Menge kannst du nur einmal ausgeben. Du entscheidest für dich, wie du das tun willst. Die meiste Energie kostet es dich, wenn du in den Widerstand gehst. Ein weiteres Beispiel aus deiner Kindheit: Deine Eltern wollen, dass du dein Zimmer aufräumst, damit du mal wieder einen Überblick über DEINS bekommst und nicht immerzu alles suchen musst. Das zu lernen ist wichtig für den Rest deines Lebens. Äußere Ordnung sorgt bei vielen Menschen auch im Inneren für Ordnung. Ein bisschen Chaos ist vollkommen okay, doch sobald du den Überblick im Außen oder Innen verlierst, ist es Zeit, mal wieder richtig aufzuräumen. Natürlich willst du als Kind lieber die ganze Zeit über spielen und toben. In deiner Welt ist keine Zeit zum Aufräumen vorgesehen. In deinen Augen handelt es sich dabei um reine Zeitverschwendung. Bald wird sowieso alles wieder unordentlich sein. Du sorgst schon dafür. Am liebsten willst du immer sofort weiterspielen, ohne alles aufbauen und wieder wegräumen zu müssen. Also begehrst du gegen deine Eltern auf und versuchst, dich ums Aufräumen zu drücken. Doch deine Eltern erweisen sich als unnachgiebig. Du ziehst alle Register: Du wirst laut, wehrst dich körperlich, sträubst dich innerlich. Du regst dich immer mehr auf. Du wirfst vor Wut mit deinen Spielsachen um dich. Irgendwann ist es so schlimm, dass du zu weinen beginnst. Die Auseinandersetzung dauert eine halbe Stunde oder sogar länger. Du hörst erst auf, als dir die Kraft ausgeht. Du bist fertig mit den Nerven und fühlst dich schlecht. Du besitzt gar keine Energie mehr. Trotzdem musst du aufräumen, deine Eltern bestehen weiter darauf. Weil du von deinem Widerstand vollkommen erschöpft bist, dauert das Aufräumen ewig. Danach fällst du nur noch ins Bett und musst ruhen. Aus Spielen wird dann nichts mehr.
Nun kommt die Variante Lass es Sein. Deine Eltern wollen, dass du aufräumst. Du weißt, dass du nicht drum herum kommst. Also tust du einfach zunächst nichts. Du sammelst dich und wartest auf deinen Seelenimpuls. Der sagt dir, dass es gut für dich ist, wieder einen Überblick zu bekommen. Du benötigst dann weniger Zeit für die Suche nach deinen Spielsachen und weißt mal wieder, was du überhaupt besitzt. Vielleicht gibt dir dieses Wissen weitere Impulse und Inspirationen, was du noch alles spielen könntest. Also nutzt du deine Energie um aufzuräumen. Das tust du so schnell und effizient, dass du in derselben Zeit fertig wirst, die du das letzte Mal im Widerstand verbracht hast. Nebenbei hörst du noch lustige Hörspiele und fieberst mit den Geschichten mit. Nun hast du immer noch sehr viel Energie übrig und kannst den Rest des Tages Spiele spielen, die dir bei alle den vergessenen Dingen eingefallen sind, die du während des Aufräumens in der Hand hattest.
Das Leben ist oft unnachgiebig. Die allermeisten Dinge liegen außerhalb deines Einflussbereichs. Trotzdem gehst du aus Gewohnheit in den Widerstand und gibst wertvolle Energie für emotionale und rationale Handlungen aus, die nichts verändern können und einfach verpuffen. Diese Energie kannst du viel sinnvoller nutzen, um Dinge zu erschaffen und zu beeinflussen, die dich und deine Mitliebewesen weiterbringen.
Zwei Herzen schlagen ach in meiner Brust, so schrieb Shakespeare. In deinem Gesamtwesen sind es nicht zwei Herzen, sondern sich gegenüberstehende Grundeinstellungen.
Die erste Grundeinstellung ist das Streben nach Glück, Freude, Freiheit, Frieden und Vollkommenheit. Sie ist die Basis der Seele.
Die zweite Grundeinstellung setzt sich zusammen aus
a) dem Streben nach Sicherheit durch Kontrolle deiner Umgebung und
b) deinen Ängsten.
Beide Grundeinstellungen funktionieren leider nicht miteinander, denn Sicherheit und Kontrolle kommen zumindest immer der Freiheit in die Quere, Angst dagegen der Freude und dem Glück.
Bei dir wird die erste Grundeinstellung zweifelsohne vorhanden sein. Beherrscht wirst du jedoch hauptsächlich von der Zweiten.
Der Verstand ist der Wächter über unsere Sicherheit. Wir erinnern uns an die Beispiele vor 50.000 Jahren, die Evolution, die macht- und kontrollsüchtigen Manipulatoren. Eigentlich benötigen wir die meisten Mechanismen unseres Gehirns gar nicht mehr. Die meiste Zeit befinden wir uns in Sicherheit, dafür haben wir nachhaltig gesorgt. Zu 99% des Tages gerät man in mindestens 70% aller Gegenden der Erde nicht in Gefahr. Das restliche Prozent besteht in Gefahren durch Unfälle bei der Arbeit, unterwegs oder im Haushalt. Das sind wohlgemerkt nur Chancen, dass etwas passiert. Wirklichen Schaden nimmst du nur in nullkommairgendwieviel Prozent der Fälle, die möglich sind. Gerade dir, der dies hier liest, ist die Gefahr wahrscheinlich unbekannt, die von einem dich bedrohenden Raubtier oder einer verdorbenen Mahlzeit ausgeht – hoffe ich zumindest. Unsere Gefahren sind eher langfristiger Natur, wie zum Beispiel:
– Herzinfarkt durch Gefäßverengung,
– Tod durch körperfremde, chemische Stoffe, die wir zu uns nehmen,
– Autoimmunerkrankungen
– langsame degenerative Erkrankungen,
– zu wenig Bewegung,
– zu viel Stress und
– hormonelles Ungleichgewicht.
Für diese Gefahren ist unser Gehirn gar nicht empfänglich, da es nur auf kurzfristige Reize reagiert: Was bringt am schnellsten Glücksgefühle oder schaltet Leid und Schmerz sofort ab?
Langfristige Erfolge interessieren unseren Verstand nicht. Wir treiben meist alles auf die Spitze, bis der Schaden eingetreten ist. Erst dann erkennen wir die Gefahr, in der wir jahrelang schwebten. Also ist das Gehirn und unser Verstand ein unnützer Begleiter, wenn es um das Thema Sicherheit geht.
Durch die Rationalisierung aller zivilisierten Kulturen und Gesellschaften auf der Erde, haben wir unseren Verstand immer wichtiger werden lassen. Seitdem die Wissenschaft immer erfolgreicher in der Erklärung von Sachverhalten des Lebens und der Welt geworden ist, ziehen wir das Wissen und das Denken den Seelenimpulsen vor. Heute sind IQ (Intelligenzquotient) König und EQ (Emotionsquotient) Königin. Emotionen sind ebenfalls Teil deiner Denkmaschine. Gedanken sorgen für Hormonausschüttungen, durch die Gefühle gebildet werden. Gefühle erzeugen wiederum Gedanken. Ein schöner Kreislauf, dem man kaum entkommen kann.
Versteh mich nicht falsch, der Verstand ist ein wahres Wunderwerk und absolut notwendig, um dein tägliches Leben zu bewältigen. Nur seine Macht über dich ist viel zu stark ausgeprägt.
Viele Menschen, die zum ersten Mal auf diese Tatsache stoßen, wollen dann ihre Gedanken und Gefühle unterdrücken. Alles, das man im Leben unterdrückt, baut im Inneren Druck auf, denn es will unbedingt heraus. Gerade Gedanken und Gefühle stauen sich in dir zu einem riesigen Meer, denn es fließen in jeder Sekunde neue nach. Irgendwann wird der Druck zu groß. Du platzt oder wirst krank.
Wir können Gedanken und Gefühlen nicht entkommen oder sie abschalten. Es ist sehr wichtig, dass alle Gedanken gedacht und alle Gefühle durchlebt werden dürfen. Am besten sollten wir sie ohne Wertung vorüber ziehen lassen, mit dem Ziel den Verstand wieder in Gleichgewicht mit Körper und Seele zu bringen.
Und das gelingt, indem wir alles im Sein lassen und den Akzep-Tanz tanzen.