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5.11 Von Herzen für uns

Lesedauer: 6 Minuten

Bei vielen Menschen ist eine fürsorgliche Ader im Wesen verankert. Es macht ihnen Freude, wenn sie sich um andere kümmern, sie unterstützen und ihnen eine Freude bereiten können. Gerade bei diesen Menschen (zu denen ich ebenfalls gehöre), ist die Gefahr groß, dass sie die Selbstfürsorge vernachlässigen. Das Wort Fürsorge verdeutlicht ja bereits, dass es darum geht, für jemanden zu sorgen oder jemanden mit dem zu versorgen, das er zum Leben benötigt. Kümmern wir uns allerdings zu viel um andere und zu wenig um uns selbst, dann sind wir irgendwann nicht mehr in der Lage, uns um andere kümmern zu können, da unser eigenes Gerüst und Werkzeug verrottet sind. Ich drücke das extra so drastisch aus, da etliche fürsorgliche Menschen in meiner Umgebung (mich eingeschlossen) die Warnungen einfach weggewischt haben. Wir standen irgendwann vor der Situation, dass wir die ganze Zeit für die Schadensbegrenzung bei uns selbst aufwenden mussten. Leider lassen sich viele durch Vernachlässigung entstandene Schäden nicht mehr reparieren, sondern nur noch lindern und in das weitere Leben so gut wie möglich integrieren. Burn-out, Depressionen oder körperliche Beeinträchtigungen sind die Folge. Häufig treten Schäden an Knochen, Gelenken und inneren Organen auf, die nicht mehr zu reparieren sind. Sie wären durch bessere Selbstfürsorge vermeidbar gewesen.

Ich selbst habe jahrelang an den Auswirkungen fehlender Selbstfürsorge arbeiten dürfen, bis ich sie in mein weiteres Leben integrieren konnte. Auf alle diese Einschränkungen hätte ich gut verzichten können. Jedoch nehme ich sie an, da ich genau verstehe, mir also bewusst ist, warum sie in mein Leben getreten sind. Und genau deswegen bin ich auch dankbar dafür. Denn ohne diese Warnschüsse hätte es noch viel schlimmer werden können. Zum Glück sind meine chronischen Zustände nicht lebensgefährlich, solange ich sie nun entsprechend berücksichtige. Sie schränken mich nur in einigen Bereichen meines Lebens ein. Treffenderweise zwingen sie mich, genau dort aufmerksam und bewusst zu sein, wo ich vorher nachlässig war und lieber nicht hingeschaut habe. In der Zeit, in der ich wieder gesunden durfte, konnte ich mich nur sehr bedingt um andere kümmern und war gezwungen, sehr viel Zeit mit mir selbst und meinem Zustand zu verbringen. Würde ich nun auch diesen Zustand ignorieren und weitermachen wie bisher, sobald ich wieder gesund bin, würde ich tatsächlich mein Leben riskieren. Viele Menschen riskieren es leider, weil sie verinnerlicht haben, dass sie auf sich keine Rücksicht nehmen dürfen, sondern nur für andere zu leben haben. Hier fehlt es definitiv an Selbstbewusstsein – dem Bewusstsein für sich selbst.

Selbstbewusstsein verstehen viele mittlerweile auch falsch, da es von den Medien völlig verzerrt wiedergegeben wird. Uns wird gezeigt, dass selbstbewusste Menschen forsch und rücksichtslos ihren Weg gehen, genau wissen, was sie wollen und dies auch um jeden Preis erreichen.

Echtes Selbstbewusstsein besteht jedoch darin, genau zu wissen, wann du was benötigst, um gut zu leben. Es besteht darin, dass du entsprechend deiner eigenen Wahrnehmung und deinen Erkenntnissen handelst und dabei deine Bedürfnisse berücksichtigst. Es besteht darin, zu wissen, wer du bist, wo du hingehörst, was du brauchst, was du kannst und dein Leben selbstständig zu führen und selbstbestimmt zu handeln, allerdings immer im Rahmen des Gemeinwohls (zum Wohle aller).

Deswegen ist es die erste Aufgabe jedes Liebewesens, erst einmal zu schauen, dass es ihm selbst gut geht und dass die Mindestvoraussetzungen zu einem gesunden und ausgeglichenen Leben gegeben sind. Erst dann kannst du nachhaltig und über lange Zeit hinweg andere Liebewesen unterstützen.

Menschen ohne den eingebauten Drang der Fürsorge oder mit einem zu hohen Maß an Selbstfürsorge, der keinen Raum mehr für andere Menschen lässt, sollten einmal bewusst ausprobieren, wie es ist, sich um andere Menschen zu kümmern und deren Wohl im Auge zu haben.

Oft enden Menschen, die sich nur um sich selbst kümmern auch in einem entsprechenden Umfeld, in dem jeder selbstzentriert agiert. Das wird dann ziemlich einsam. Ist jeder in deinem Umfeld nur mit sich selbst beschäftigt, kann sich niemand mit dir beschäftigen und dir echte Aufmerksamkeit und echtes Interesse schenken.

Wer noch nicht begriffen hat, dass es im Leben nicht wirklich um ihn geht, sondern darum, was er für alle (inklusive sich selbst) tun kann, der wird auch nicht erleben, wie es ist, wenn man wirklich für ihn sorgt und ihn liebt, denn er ist zu sehr mit sich selbst beschäftigt, um andere und ihre Bemühungen wahrzunehmen. Er kann ihre Fürsorge und die ihm entgegengebrachte Liebe nicht wertschätzen oder genießen. Stattdessen verschlingt und verbraucht er die ihm zugewandte Aufmerksamkeit und Zuneigung regelrecht. Er ist ein ewig Hungriger, der nur in sich hinein stopft, ohne dem Beachtung zu schenken was er da überhaupt isst. Manchen Menschen ist es sogar ganz egal, da ihr Universum nur sie selbst beinhaltet und alles, was von außen auf sie einwirkt abprallt. Sie bewundern nur sich allein, lassen keine anderen Meinungen zu. Andere Menschen nehmen sie maximal wahr, wie wir die Satelliten, die unseren Planeten umkreisen. Allein das Fernsehprogramm verrät, dass sie sich im Orbit befinden. So ähnlich nehmen sie auch andere Liebewesen wahr: Allein dass die Liebewesen ihnen dienen, verrät ihre Anwesenheit.

Erkennst du dich hier wieder, kannst du dem entgegentreten und dich öffnen, indem du dich für andere Menschen und ihr Leben, ihre Gedanken und Gefühle wahrhaft interessierst. Beginne herauszufinden, was sie wirklich benötigen und gib es ihnen. Das ist die einfachste Art Egoismus, Egozentrik, Psychopathie und Narzissmus aufzuheben. Denke an dich und alle anderen. Sei fürsorglich, indem du ihre Bedürfnisse herausfindest und nicht, indem du deine über sie stülpst.

Wir sind alle unsere eignen Diener und die aller anderen Liebewesen, denn nur alle zusammen entwickeln wir uns weiter.

Hier kommt dann auch die Demut ins Spiel. Während meiner religiösen Zwangserziehung wurde mir eingetrichtert, dass ich gefälligst demütig zu sein habe. Ich verstand Demut als unterwürfiges Verhalten anderen gegenüber. Man soll sich selbst erniedrigen, damit man von irgendeinem mythologischen Wesen erhöht wird. Da ich noch nie zu Unterwürfigkeit neigte, war mir dieses Konzept suspekt. Selbst als Kind wollte ich lieber auf Augenhöhe kommunizieren und weder mich selbst, noch jemand anderen erniedrigen oder erhöhen. Ich fand den Gedanken schon immer gut, dass alle Menschen den gleichen Wert besitzen und sich gegenseitig auch so behandeln. Demut passte also so gar nicht in meine Weltanschauung. Bis ich eines Tages herausfand, dass sie so auch gar nicht funktioniert. Die christliche Anschauung der Demut stammt aus Zeiten, in denen die einen Herrscher waren und die anderen Diener. Du sollst dich lieber als hingebungsvoller Diener, denn als manipulativer Herrscher sehen. Diese Anschauung nutzen die Kirchenoberhäupter zur Kontrolle ihrer Gläubigen (wie immer in religiösen Strukturen).

Wahre Demut beschreibt die Hingabe ans Leben und zueinander. Niemand ist Herrscher und niemand ist Untertan, wir alle dienen einander auf derselben Ebene.

Echtes Glück und erfüllender Friede setzen die vollständige Hingabe ans Leben voraus. Demut vor dem Leben meint die Akzeptanz dessen, was ist, wie es ist.

Stürz dich in die Wellen des Ozeans, den wir Leben nennen und genieße das Schwimmen. Liebe das Leben und die Menschen und dich selbst so sehr, wie du nur kannst – mit voller Inbrunst.

Demut anderen gegenüber bedeutet, dass du begriffen hast, dass es im Leben nicht allein um dich geht, sondern darum, wie du mit dir und allen anderen umgehst, was du für dich und zum Wohle aller tun kannst, damit sich alle Liebewesen (und damit meine ich explizit nicht nur Menschen) so gut wie möglich entwickeln können.

Du dienst allen anderen und alle anderen dienen dir dazu, das erleben zu können, was du für deine Entwicklung benötigst. Die Weisheit »Niemand ist eine Insel« trifft zum Teil zu, doch ich würde eher so formulieren:

Der Wassertropfen im Meer käme niemals auf die Idee, dass er allein und kein Teil des Meeres ist, denn er ist nicht vom Meer trennbar, ohne seine ursprüngliche Form zu verlieren.

Nur Wesen, die ICH denken können, können auch auf die abwegige Idee kommen, es ginge nur um dieses ICH und dieses ICH sei kein Teil von WIR.

Demut stellt also niemanden höher und erniedrigt andere, sondern bedeutet lediglich, dass du wohlwollend, liebevoll und fürsorglich mit dir und allen anderen Liebewesen umgehst. Demut ist ein weiterer Ausdruck deiner Liebe.

Ich könnte noch viel mehr zum Thema Liebe schreiben, doch soll es für jetzt einmal gut sein. Widmen wir uns noch dem Thema, um das es in diesem Buch eigentlich geht.