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5.4 Me, myself and you

Lesedauer: 8 Minuten

Oft wenn ich das Thema Selbstliebe angesprochen habe, begegneten mir Menschen, die sie mit Selbstverliebtheit, Egozentrik oder Egoismus verwechselten. Sie meinten, man dürfe sich nicht selbst in den Mittelpunkt stellen und müsse stets selbstlos für andere da sein. Das ist ein ehrenvoller Ansatz, der aus den religiösen Wurzeln unserer Kultur stammt. Er birgt jedoch einen Haken: Wer sich nicht um sich selbst kümmert und sich nie mit sich beschäftigt, der ist irgendwann nicht mehr in der Lage, sich um andere zu kümmern.

Du bist der wichtigste Mensch in deinem Leben. Ohne dich existiert dein Leben nicht. Du kommst niemals an dir vorbei. Alles in deinem Leben betrifft dich.

Wie immer liegt die richtige Dosis irgendwo zwischen den Extremen.

Dem Egoisten ist es egal, wie es anderen ergeht, solange es ihm gut geht und er alles bekommt, um seine Bedürfnisse zu befriedigen.

Der Narzisst ist zum Teil selbstverliebt und bewundert sich und zum anderen Teil glaubt er innerlich, nichts wert zu sein, und fühlt sich nicht gesehen und bestätigt, egal wie viel Aufmerksamkeit und Anerkennung er bekommt.

Der Psychopath ist empathielos, strebt ohne Rücksicht seinem Ziel entgegen und kümmert sich nicht darum, ob andere Wesen darunter leiden. Er sorgt sich oberflächlich um die, die ihn unterstützen wollen, genau so lange, bis sie nutzlos werden.

Der Soziopath ist empathiefähig, verhält sich allerdings trotzdem antisozial, da ihm andere Menschen ganz einfach egal sind.

Der Echoist will auf keinen Fall als Narzisst gelten und nimmt sich komplett zurück. Er hat beinahe keine eigene Meinung und keine Vorlieben, hat dafür das Wohl aller anderen um sich herum im Auge. Er handelt eher nicht aus Eigennutz, sondern aus Gemeinnutz.

Der hochsensible Empath ist hochgradig emphatisch und hält sich sehr oft in den Gefühls- und Erlebniswelten anderer Wesen auf, in denen er gern versinkt. Dabei vergisst er oft, sich selbst zu schützen und bei sich selbst zu bleiben.

Alle diese psychologischen Klassifizierungen stellen klar, dass durch das eigene Handeln ein Ungleichgewicht entsteht. Während die ersten vier psychologischen Typen sich selbst im Fokus haben und sich kaum bis gar nicht um andere kümmern, stehen bei den anderen dreien alle anderen im Vordergrund und die Selbstfürsorge bleibt auf der Strecke.

Die meisten Menschen denken, dass Eigennutz etwas Schlechtes ist. Doch im Grunde genommen kann man den Begriff auch durch das Wort Selbstfürsorge ersetzen. Dir dürfte klar sein, dass es ziemlich schlecht für dich ausgeht, wenn du über längere Zeit vergisst, zu essen oder zu trinken. Auch falsche Ernährung, zu viel Stress, mangelnde Körperhygiene und zu wenig Bewegung sind als Krankheitsursachen bekannt. Mangelerscheinungen verursachen weltweit mindestens 30 Prozent aller Krankheiten. Auch dir sollte bewusst sein, dass es wichtig ist, dich gut um deinen Körper zu kümmern. Genauso wichtig ist die so genannte Psychohygiene. Ausreichende Verarbeitung der von dir aufgenommenen Eindrücke in Ruhephasen ist lebenswichtig für einen gesunden Verstand. Yoga, Meditation, Sport und Entspannungsübungen gehören schon zum Alltag vieler Menschen dazu. Genauso der Besuch von Therapeuten oder Coaches, um Traumata zu verarbeiten und schlechte Angewohnheiten umzuprogrammieren ist mittlerweile salonfähig. Schon das Gespräch mit dem*der besten Freund*in oder Partner*in, den Eltern oder erwachsenen Kindern kann psychischen Druck abbauen und Depressionen oder andere psychische Störungen verhindern.

Psychohygiene und Körperfürsorge sorgen dafür, dass du gesund bleibst und dich dann auch für andere einsetzen kannst. Eigennutz ist also die Grundlage für Gemeinnutz. Sollte allerdings die Selbstfürsorge ausschließlich dem Eigennutz dienen, ist das Gleichgewicht weiterhin gestört. Dann bist du zwar gesund, doch du hilfst anderen nicht weiter, außer als abschreckendes Beispiel und Stein des Anstoßes.

Psychohygiene und Körperfürsorge sind allerdings nur die Oberfläche der Selbstfürsorge. Sie geht noch nicht tief genug, um ein Leben in Frieden und Freude führen zu können.

Weiter in die Tiefe geht die Selbstliebe, die das eigene Wohl umfassend in den Fokus setzt.

Bist du mit dir zufrieden? Auch auf allen Ebenen? Egal, was du gerade tust?

Liebst du dich umfassend und so unumstößlich, dass kommen kann, was will, ohne dass du aus deinem inneren Gleichgewicht geworfen wirst? Vertraust du dir selbst bedingungslos?

Was ist denn diese Selbstliebe überhaupt?

Überlege dir einmal, was selbstlose Liebe für dich ist. Für mich ist sie die reine Liebe, die keine Ansprüche stellt, die keine Hintergedanken und Erwartungen birgt. Sie ist ewig und kann nicht versiegen oder erlöschen. Sie brennt nicht heiß wie Feuer, sondern verzeiht und fühlt mit, versteht und lässt frei und sein, wie der andere ist. Für einen geliebten Menschen würdest du wahrscheinlich alles tun. Du würdest sogar dein Leben riskieren, um ihn zu schützen. Du sorgst stets dafür, dass es ihm an nichts mangelt und dass seine Wünsche erfüllt werden, so gut du es vermagst. Du setzt dich für ihn ein und machst mit ihm auch Dinge, die dir nicht gefallen, um ihm eine Freude zu bereiten. Du pflegst ihn gewissenhaft, wenn er krank ist, und unterstützt ihn in seiner Entwicklung auf allen Ebenen. Du schaust, dass er sich immerzu wohl fühlt und hältst Unbill so gut es geht von ihm fern. Kurz gesagt, du umsorgst und hegst deinen geliebten Menschen oder auch ein anderes geliebtes Wesen.

Außerdem siehst du ihn so, wie er ist. Du akzeptierst ihn mit allen Ecken und Kanten, liebst seine Marotten und verzeihst seine Fehler und Unzulänglichkeiten. Du möchtest ihn nicht verändern, sondern bestätigst ihn darin, dass er genau so, wie er ist, gut ist. Du findest das, was er tut und sagt großartig und sagst ihm das. Du weißt, wie er die Dinge meint, auch wenn er etwas anderes sagt. Du merkst es, wenn er gerade nicht aus seiner Haut kann, und lässt ihn einfach seine Handlungen zu Ende führen, ohne ihn dafür zu verurteilen oder ihm böse zu sein. Du bist immer froh, wenn er um dich herum ist. Wenn er dich anlächelt, schmilzt du dahin.

Dein Mitgefühl für das geliebte Wesen ist grenzenlos.

Und wie sieht es mit dir selbst aus? Gehst du genauso auch mit dir selbst um? Was denkst du, wenn du in den Spiegel schaust über den Menschen, den du dort siehst? Wie du weißt, denken wir im Standardmodus 92,5% negative Gedanken am Tag. Viele davon betreffen uns selbst. Du denkst auch über dich so viele negative Gedanken. Du bist unbarmherziger dir selbst gegenüber, als du mit anderen Menschen umgehst. Du verzeihst dir eigene Fehler weniger oft. Du denkst immer viel zu kritisch über dich selbst. Das Gute daran, dass wir nicht alle Gedanken aller Wesen um uns herum hören oder lesen können, liegt darin, dass wir ihre negativen Gedanken über sich selbst nicht kennen. Würden wir diese hören, würden wir andere Menschen wahrscheinlich ebenso wenig leiden können, wie uns selbst.

Die Selbstliebe versetzt dich in einen Zustand der Zufriedenheit mit dir selbst. Selbstzufriedenheit wird dank religiöser Dogmen ebenfalls als Sünde gesehen und ist negativ vorbelastet. Doch in Wirklichkeit bedeutet sie, dass du mit dir selbst im Frieden bist. Du akzeptierst einfach, wer und wie du bist. Und das in jedem Moment deines Lebens. Du weißt, dass du nicht unfehlbar bist und gestehst dir Fehler zu. Aus Fehlern lernen wir viel mehr, als wenn wir uns nicht eingestehen, Fehler zu machen. So lange du die Fehler nur bei anderen suchst, oder nur bei dir, kannst du nicht mit dir in den Frieden kommen. Dann ist die Waage nicht ausgeglichen. Schau einfach realistisch danach, wer einen Fehler begangen hat und sei in jedem Fall ehrlich zu dir selbst und zu allen Beteiligten. Sei voller Mitgefühl dem gegenüber, der den Fehler begangen hat, auch wenn du es warst.  Lache über die eigenen Fehler und vergebe anderen die ihren.

Akzeptiere deinen Körper, denn er ist wundervoll. Er trägt dich die meiste Zeit über klaglos durchs Leben. Er vollbringt echte Wunder, wenn er sich selbst heilt und repariert. Nimm ihn einmal richtig wahr, mit jeder Körperzelle. Er ist bei vielen Menschen so robust, dass er uralt wird und schlimme Schäden und Krankheiten übersteht. Er verarbeitet all die Gifte, die du ihm zuführst über lange Zeit, bevor er existenzielle Auswirkungen zeigt. Er lässt dich die Welt um dich herum wahrnehmen. Behandle ihn mit dem gebührenden Respekt und liebe ihn selbstlos. Egal wie er aussieht – er ist wunderschön. Gehe voller Mitgefühl mit ihm um und nimm dir die Zeit, ihn zu pflegen und ihm das zu geben, was er benötigt. Übertreibe nichts. Zu viel Sport und zu gesunde Ernährung können ebenso schädlich sein, wie zu viel Fastfood, zu viel sitzen oder liegen und zu viel Zucker, Alkohol, Nikotin, Koffein oder andere Gifte.

Gönne dem Körper und deinem Verstand Ruhepausen. Schaue deinen Verstand an. Auch wenn er nicht der Schlauste oder der Schnellste ist, so verarbeitet er täglich Milliarden von Sinnenreizen, bewertet sie und speichert sie ab. Er erzeugt deine Gedanken- und Gefühlswelt und ermöglicht dir, dein Leben überhaupt erst aus deiner Perspektive zu erleben. Egal, wie er beschaffen ist, ob er eingeschränkt ist oder supergut funktioniert – er ist die Basis für dein Sein in der Welt. Vom ersten Augenblick an sorgt er dafür, dass Blut durch deine Adern gepumpt wird, lässt deine Lungen ein- und ausatmen, steuert deinen Bewegungsapparat, deine Sexualität, deine Hormonschwankungen. Er sorgt für all die guten und schlechten Gefühle, er denkt all die guten und schlechten Gedanken. Er lässt dich wahre Schönheit sehen und hören, empfindet Wohlgeruch und Wohlgefühl, lässt dich mitfühlen und die Liebe auf körperlicher Ebene spüren. Er ist ein wichtiger Pfeiler deines Lebens.

Und dann schau dir deine Seele an. All das Drumherum und Dazwischen. Sie verbindet alle Liebewesen und ist pure Energie. Sie ist ewig und kann nicht verletzt oder zerstört werden. Sie ist Liebe und Licht und Leichtigkeit. Sie ist das reine Sein. Sie ist die Gesamtheit dessen, was ist und wer du bist.

Schau dir all das an und begreife das Wunder, das es ermöglicht, du zu sein, dein Leben zu leben und deine Erfahrungen zu machen. Wie viele unwahrscheinliche Zufälle sind zusammengekommen, damit ganz genau du dabei heraus kommst? Unendlich viele. Deine ganze Ahnenreihe musste nach und nach entstehen und ihre Leben leben. Du selbst bist das Ergebnis der Verschmelzung eines Eis mit einem von Millionen Spermien, die alle unterschiedliche Anteile der elterlichen DNA enthalten. Du bist aufgewachsen. Du hast bisher alles im Leben hervorragend gemeistert, denn du lebst schließlich noch.

Probier doch vielleicht einmal folgendes aus: Werde still und atme einfach. Mach die Augen zu und fühle einmal ganz tief in dich hinein. Fühle all die kleinen und all die großen Wunder, die du in deinem Leben vollbracht hast. Auch wenn du sie vielleicht gar nicht als großartig wahrnimmst. Sprich einmal mit Menschen, die dich gut kennen. Sie können dir bestätigen, dass sie all diese Wunder nicht hätten vollbringen können. Ich habe 26 Jahre unter für mich widrigen Umständen in einem ungeeigneten Arbeitsumfeld täglich meinen Dienst verrichtet. Ich habe mehrere hundert Menschen, vielleicht sogar einige tausend inspiriert. Ich habe mich von einem Baby zu einem erwachsenen Mann entwickelt, war egoistisch und selbstzentriert, altruistisch und selbstlos und bin nun in meinem Gleichgewicht und im Frieden mit mir.

Würde man Menschen aus jedem Lebensabschnitt von 10 Jahren miteinander über mich sprechen lassen, würden sie denken, sie sprächen über unterschiedliche Menschen. Ich habe viele Talente und nutze diese auch. Du hast vielleicht ein oder zwei Talente und die hast du wahrscheinlich sehr vertieft, während meine nur oberflächlich sind. Ich kann alles Mögliche ein bisschen.

Deine Erfahrungen und Erlebnisse sind ungeheuer wertvoll. Deine Ansichten und Handlungen sind ebenso wertvoll. Ohne dich würden die Gesellschaft und die Menschheit und die Erde anders aussehen. Du bist genauso perfekt, wie du gerade bist, denn du tust immer alles so gut, wie du es gerade vermagst. Und du sorgst dafür, dass andere Menschen ihre Erlebnisse mit dir zusammen machen können. Egal, was du tust, du sorgst immer dafür, dass du selbst und andere sich entwickeln können.

Das alles sollte es doch wert sein, geliebt zu werden, oder etwa nicht?

Ob du dich selbst liebst, kannst du mit einer ganz einfachen Frage feststellen:

Bin ich in diesem Moment im Frieden mit mir?

Sobald dieser Frieden in jedem Moment besteht, dann ist deine Selbstliebe genau so, wie sie gedacht ist. Denn Liebe ist unbegrenzt verfügbar und für alle da. Besonders für dich. Wie kannst du andere wirklich lieben, wenn du nicht einmal dich selbst lieben kannst?

Eine gute Methode, sich selbst mehr wertzuschätzen: Sieh nicht das, was du nicht geschafft hast, sondern halte inne und schau dir an, was du bisher geleistet hast. Fang damit an, dass du heute Morgen aufgestanden bist. Das ist bereits eine Leistung. Glaub mir, ich habe es an vielen Tagen nicht geschafft.