1 – 2 Selbstentwicklung

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Selbstentwicklung ist seit langer Zeit ein florierender Wirtschaftszweig der Gesellschaft. Ob es nun religiöse, weltliche oder spirituelle Entwicklung betrifft, so wird sie mittlerweile von ganzen Industrien bedient. Das menschliche Bedürfnis, mehr zu sein, als man zurzeit ist, wird seit Alters her von erfolgreichen Menschen vorgelebt und Ihnen bereits von Kindesbeinen an eingetrichtert. Ob es Kirchenmänner, Wirtschaftsweise, Jobcoaches, Politiker, Lehrer, Motivationstrainer oder gar Eltern und Großeltern sind, sie alle wollen nur dein Bestes: dass es mit dir vorangeht. Du sollst ein besserer, erfolgreicherer, wohlhabenderer, gebildeterer oder effektiverer Mensch werden.

Genau diese Mechanismen vermitteln dir allerorts und zu jeder Zeit das Gefühl, nicht zu genügen. »Ich bin nicht gut genug für diese Welt.« Doch stimmt das wirklich? Das Gefühl, nicht genug zu sein, kann zu Resignation, Ohnmachtsgefühlen, Aggressionen, Depressionen, Narzissmus, Egoismus und sogar (Selbst-)Hass führen.

In unserer derzeitigen Gesellschaftsform ist alles auf Wachstum ausgerichtet. Speziell in Deutschland wird seit dem goldenen Wirtschaftswunder darauf geachtet, dass der eigene Wohlstand mit den Nachbarn und Freunden verglichen wird. Hierdurch entsteht ein Wettkampf des Mehr. »Mein Auto ist teurer, mein Haus ist größer, meine Kinder sind besser erzogen.« »Ich arbeite viel mehr oder viel schwerer als mein Nachbar.« »Ich kann mir einen Urlaub in Neuseeland oder auf Hawaii leisten, nicht nur am Bodensee oder auf Mallorca.« »Ich ernähre mich gesünder und treibe mehr Sport.« Genauso funktioniert auch der spirituelle oder religiöse Vergleich. »Ich gehe öfter zur Kirche und bete fleißig zehnmal am Tag.« »Ich meditiere 3 Stunden am Stück täglich und spüre mich der Erleuchtung schon viel näher als der Rest meiner Meditationsgruppe.« Oder für Menschen, die gerne asketisch leben: »Ich komme mit viel weniger zurecht als meine Umwelt. Ich spare so viel ein, wie möglich.«

All diese Vergleiche schicken dich in ein Hamsterrad des Mehr. Sie sind sich nicht genug. Bereits Kindergarten und Schule lehren Sie die Unterschiede zu anderen Kindern, soziale Schichten und die Notwendigkeit, im Wettkampf des Lebens bestehen zu können. Dieser Wettkampf wird Ihnen als das notwendige Übel verkauft, das du eingehen musst. Erfolg muss hart erarbeitet und erkämpft werden. Wenn uns die Evolution eins gelehrt hat, so ist es, dass nur der Stärkere und Fleißigere überlebt.

Das ist grundfalsch! Darwin hat uns gelehrt, dass nicht überall die Stärksten überleben. Warum haben es sonst Pandas und Faultiere geschafft? Pandas verfügen über so wenig Energie, dass ein Kampf untereinander sie töten könnte, ohne dass sie sich gegenseitig eine einzige Verletzung zufügten. Sie würden so viel Energie ausgeben, dass es nicht mehr reicht, um diese durch den Verzehr von Bambus wieder aufzustocken. Sie würden während der Nahrungsaufnahme verhungern. Bambus liefert nur sehr wenig Energie. Trotzdem hat diese Spezies Jahrtausende überlebt. Genauso die Faultiere, deren extrem niedriger Stoffwechsel die langsamen Bewegungen hervorruft. Faultiere existieren nachweislich seit 30 Millionen Jahren. Etliche Varianten der Spezies sind ausgestorben, vor allem die am Boden lebenden. Doch die in den Bäumen hängenden Tiere haben überlebt. Warum? Weil die Evolution jene Spezies bevorzugt, die sich einen eigenen Lebensraum – eine Nische – geschaffen haben.

Sei also du selbst. Finde und besetze einfach deine Nische. Sei dir selbst genug. Du musst dich nicht verbessern. Du solltest nur gut auf dich achten. Vielleicht genügt dir der bisherige Text bereits, um all deine Probleme zu lösen.

Taschenbuch und E-Book

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Du solltest deine Entwicklung nicht aus dem Anspruch heraus betreiben, dich perfektionieren zu wollen. Sollte dies der Grund für dich sein, dieses Buch zu lesen, dann empfehle ich dir dringend, die beiden Kapitel zum Perfektionismus zu lesen. Diese Einstellung wird dich nur unnötig unter Druck setzen und kann zu einem Zwang werden. Die eigene Weiterentwicklung sollte aus dem Bedürfnis betrieben werden, die Teile deines Wesens zu integrieren, die dir das Leben erschweren und dich daran hindert, du selbst zu sein. Alles in dir Unerklärte, das dir seltsam vorkommt, was dir im Weg zu stehen erscheint, wird in dir nach einer Auflösung verlangen.

Lass dich auch in der Selbstentwicklung nicht von marktschreierischen Menschen verblenden, die dir den einzigen und wahren, sowie schnellen Weg zum Ziel deiner Entwicklung versprechen. Der Weg ist hier eindeutig das Ziel. Nichts, was dir von außen begegnet, kann dir wirklich helfen, so lange es nicht in dir zu einer Resonanz kommt. Dieser Widerhall zeigt dir eindeutig, ob die Vorschläge und Hilfestellungen von außen für dich gemacht sind. Du trägst alle Lösungen für jedes deiner Probleme in dir. Es gilt nur diese Lösungen aufzudecken oder zu finden. Manchmal kannst du das durch äußere Inspiration erreichen und ein anderes Mal kannst du so lange in dich hinein hören, bis du die Antwort aus dem Inneren präsentiert bekommen.

Die Selbstentwicklung erfordert viel Achtsamkeit und Aufgeschlossenheit. Höre deswegen bitte immer auf dein Gefühl und nimm dir auch aus diesem Ratgeber nur das heraus, was du für dich gebrauchen kannst. Es geht immer nur um das, was du brauchst, nicht was dein Kopf will. Deswegen gebe ich dir lediglich ein paar Erklärungen und Techniken an die Hand, die du umsetzen kannst, wenn du möchtest. Du kennst deine Problemstellungen. Stürze dich nicht übereifrig in die jeweiligen Themen, sondern gehe bitte immer mit Bedacht und deinem Gefühl an die einzelnen Kapitel.

Mir geht es jedes Mal so, wenn ich ein Buch zu lesen beginne, dass ich bereits auf den ersten Seiten spüre, ob ich mich in dem Text wiederfinde. Ist dies nicht der Fall, lese ich erst gar nicht weiter. Außerdem habe ich die Erfahrung gemacht, dass man das passende Buch oder den passenden Menschen zur Seite gestellt bekommt, wenn die Zeit reif ist und nicht dann, wenn man es erzwingen will.

Die Texte in diesem Buch sollen nur als Ideen und Anregungen dienen. Sie sind kein Weg und schon gar nicht der Einzige. Das bitte ich immer zu beachten. Außerdem soll es nicht dazu führen, dass du Ansprüche gegen andere richtest. Frei nach dem Motto: »Ich bin hochsensibel, nimm gefälligst Rücksicht auf mich.« 

Hochsensibilität ist keine Krankheit, sondern eine Sammlung von Wesenszügen. Sie bedarf keiner Heilung, sondern nur der Beachtung durch dich. Richte dich nach deinen Möglichkeiten und Fähigkeiten. Kein anderer Mensch ist für dein Leben und deine Umstände verantwortlich.

Hochsensibilität ist nicht einmal dein einziger Wesensaspekt. Niemand ist ausschließlich hochsensibel. Das ist nur ein Teil deines gesamten Wesens. Vielleicht stelldu es dir am besten als Sammlung von Fähigkeiten, Beeinträchtigungen und Bedürfnissen vor. Jeder Mensch hat seine ganz spezielle Mischung aus diesen Dingen. Ich möchte dir primär dabei helfen, die Effekte der Hochsensibilität zu verstehen. Ich möchte dein Verständnis deiner speziellen Mischung gegenüber verbessern. Du solltest nicht andere Menschen dazu bringen, auf dich acht zu geben. Vielmehr solltest du deine Lebensweise und Umgebung so gestalten, dass du besser mit dir selbst umgehen kannst.