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- 2-6 Keine Krankheit

»Oh mein Gott, jetzt hab ich dieses HSP, das ich ja gar nicht haben will! Was mache ich jetzt?« Mir sind etliche Menschen begegnet, die wohl dachten, Hochsensibilität könne man sich wie eine Grippe vorstellen, die plötzlich auftaucht und auch wieder verschwindet, wenn man sie nur lange genug ignoriert. Bei einer Grippe mag das funktionieren, auch wenn es nicht gesund ist. Doch bei Hochsensibilität klappt das nicht.
Wenn eine Person hochsensibel ist, dann meist von Geburt an oder schon seit langer Zeit. Oft stellen wir es bei uns selbst eben nur nicht fest, weil wir davon ausgehen, dass alle anderen so funktionieren, wie wir selbst.
Ihr erster Impuls könnte wie gesagt sein, dass du alles verleugnen und unterdrücken möchtest, da du ja auf keinen Fall die Nachteile eines Hochsensiblen haben möchtest. Das wäre genauso, als wenn ein Kind die Augen schließt, damit du das Kind nicht sehen kannst. Vollkommen unnütz. Du würdest dir das Leben nur noch schwerer gestalten oder so schwer, wie bisher. Machst du weiter wie bisher, wird deine Belastung nur zunehmen und du wirst dich selbst und dein Wesen unterdrücken.
Denn Hochsensibilität ist keine Krankheit, deswegen nicht heilbar und verschwindet schon gar nicht von allein wieder. Es ist die Art und Weise, wie dein Wesen und dein Körper funktioniert.
Aber die gute Nachricht: Sobald du lernst, mit der Hochsensibilität zu leben und deine Bedürfnisse nicht nur anzuerkennen, sondern auch zu erfüllen, wird dich ein wundervolles, erfülltes Leben erwarten, das auf einmal gar nicht mehr komplizierter oder schwieriger ist, als das von anderen. Du sind dann nur nicht mehr ›normal‹. Aber das warst du von Anfang an sowieso nicht.
Iwan Pawlow hat bereits Anfang letzten Jahrhunderts Versuche zur Belastbarkeit der Menschen durchgeführt. Der Versuchsaufbau umfasste die Beschallung der Probanden mit Geräuschen in stetig zunehmender Lautstärke. Die Probanden wurden bis an ihr Limit getrieben, an dem die Lautstärke schmerzhaft wurde. Dabei kristallisierte sich eine Gruppe von Probanden heraus, die viel früher, also bei viel niedrigerem Lautstärkepegel angab, Schmerzen zu spüren. Diese Gruppe umfasste circa 15%.
Innerhalb dieser empfindsameren Gruppe gab es Menschen, die früher ihre Belastbarkeitsgrenze erreichten und andere, die später reagierten. Doch erstaunlich fand Pawlow, dass die beiden Gruppen merklich getrennt reagierten. Es gab keinerlei Übergang. Das bedeutet, dass die normalsensiblen Menschen (ca. 85% der Bevölkerung) viel! unempfindlicher und unsensibler sind als die hochsensiblen. Also die empfindsameren Menschen reagieren in einem deutlich höheren Maß und viel früher. Es gibt keinerlei Überschneidungen und auch kein Übergang zwischen den beiden Gruppen. Es gibt nur die belastbareren Hörer, dann eine ganze Zeit lang nichts und dann die empfindsameren Hörer.
Dreht man die x-Achse um, sodass die Empfindlichkeit von null bis unendlich dargestellt wird, sieht man, dass eindeutig eine Gruppe von unempfindlicheren Menschen links getrennt von der rechten Gruppe empfindlicherer Menschen steht.

Taschenbuch und E-Book
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In der oberen Grafik sehen Sie links die Anzahl der Menschen, die früh über Ohrenschmerzen durch Lautstärke klagten. Die untere Grafik bildet die Empfindsamkeit ab. Hier sehen Sie links die Menge der unempfindlichen Menschen und rechts die empfindsameren Menschen. Beide Gruppen sind als ›Hügel‹ dargestellt, weil in beiden Gruppen mehr und minder empfindsame Menschen existieren. Doch die deutliche Trennung der beiden Gruppen weist darauf hin, dass Menschen entweder Hochsensible sind, oder eben nicht.
Da dieses Experiment nur die Belastung des auditiven Sinnes darlegt, wurden in der Zwischenzeit unter anderem von Dr. Elain Aron Untersuchungen auf Basis psychologischer Tests vorgenommen, die auf einen Prozentsatz zwischen 17,5% und 20% hochsensibel veranlagter Menschen in der Bevölkerung hinweisen. Auch hier stellte sich heraus, dass die restlichen 80% der Teilnehmer weit weniger Merkmale der Hochsensibilität besitzen.
Deswegen nimmt man an, dass sich hochsensible Personen schon sehr in ihrer Wahrnehmung und Belastbarkeit von nicht hochsensiblen Menschen unterscheiden.
Es gibt also wahrscheinlich keine ›nur ein klein bisschen hochsensible Menschen‹.
Belastbar meint hier, dass die Grenze zur Überreizung eines Sinnes wesentlich schneller eintritt. Es hat nichts mit der allgemeinen Leistungsfähigkeit zu tun. Sind die Bedingungen für Hochsensible geeignet, leisten wir meistens in kürzerer Zeit viel mehr, bis wir überlastet sind. Es ist für uns nur schwieriger, diesen Zeitraum einzuschätzen, da er viel schneller um ist, als bei Normalsensiblen. Hohe Effektivität in unseren Tätigkeiten wechseln sich schneller mit Regenerationsphasen ab. Insgesamt unter dem Strich sind sowohl Hochsensible als auch Normalsensible abhängig von ihren Neigungen wohl in einem längeren, gleichen Zeitraum in etwa gleich belastbar.
Positiv formuliert: Du hast also einen Satz erweiterter Sinne mit ins Leben bekommen! Freu dich darüber! Sobald du lernst, mit deinen Sinnen und Ressourcen deinen Bedürfnissen entsprechend umzugehen, dann wirst du eine großartige Verbesserung deiner Lebensqualität erreichen! Du kannst diese Sinne für dich nutzen oder anderen damit helfen, so wie es dir entspricht.
Normalität wird weithin überschätzt und existiert in Wirklichkeit nicht. Was die Menschheit wirklich braucht, sind sensible Menschen mit Herz und Verstand, die für sich und andere sorgen und durch ihre Empathie andere verstehen können. Würden mehr Menschen ihre Sensibilität und Empathie leben, dann würde die Welt ganz anders aussehen.
Die Augen zu schließen und zu verdrängen hat noch niemanden weiter gebracht. Die Vorteile und Limitierungen existieren und lassen sich nicht wegdiskutieren.
Sich selbst anzunehmen, wie man ist und sich weiterzuentwickeln, ist eine besondere Gabe, die viele Menschen in ihrem Leben nicht haben oder nicht nutzen. Egal ob Sie hochsensibel sind oder nicht, auch mein Buch Seelenweite kann Ihnen dabei helfen, dein Bewusstsein dir selbst gegenüber zu vergrößern und deine ureigenen Bedürfnisse zu erkennen und zu leben.
Lerne deine Fähigkeiten lieben, lass deine Ängste, deinen Perfektionismus, deine Ungeduld los. Lerne dich abzugrenzen. Du wirst feststellen, wie einfach und gelöst dir danach der Umgang mit dir selbst fällt. Auch deine Umgebung wird positiv auf deine Entwicklung reagieren.
Einen Weg, wie du das schaffen kannst, will ich dir in diesem Buch vorstellen. Steck nicht den Kopf in den Sand, sondern sag dir einfach: »Augen, Ohren, Herz und Seele auf und dann durch!«
Ich kann dir nur empfehlen, dich einer der vielen HSP-Selbsthilfegruppen oder Treffen anzuschließen, um Gleichgesinnte kennenzulernen und sich mit ihnen auszutauschen. Mir hat das sehr geholfen. Denke immer daran: diese Menschen haben allesamt ähnliche Herausforderungen wie du.